Die Drenai-Saga 5 - Im Reich des Wolfes
»Warum ist Belash immer noch unter den Lebenden?«
»Eine Laune«, antwortete Waylander.
»Solche Launen können dich umbringen. Sie sind nicht wie Menschen, sie sind Wilde, von Dämonen ausgebrütet. Ich glaube, du hast einen schweren Fehler gemacht.«
»Ich habe früher schon Fehler gemacht. Die Zeit wird es zeigen.« Er trat neben Senta. »Leg dich auf die Bank«, befahl er. »Dann hört die Blutung eher auf.«
»Danke für deine Besorgnis«, murmelte der Schwertkämpfer dumpf.
Waylander setzte sich neben ihn. »Nimm meinen Rat. Stell dich mir nicht noch einmal entgegen.«
Senta ließ das blutgetränkte Tuch sinken und schniefte laut. »Du hast mir eine wertvolle Lektion erteilt«, sagte er mit einem gezwungenen Lächeln. »Ich werde sie nicht vergessen.«
Waylander stand auf und verließ die Hütte. Angel folgte ihm. »Du hast mich nicht gefragt, warum ich ihn leben lassen wollte.«
»Es ist mir egal«, sagte Waylander, kniete nieder und tätschelte den Hund, der sich im Schatten ausgestreckt hatte. Der Hund ließ ein tiefes Knurren hören und reckte den Hals. Waylander streichelte seine Schnauze. »Es ist nicht wichtig, Angel.«
»Für mich schon. Ich stehe in deiner Schuld.«
»Welche Fortschritte macht Miriel?«
»Sie ist schon besser geworden. Und ich will deine Zehntausend nicht.«
Waylander zuckte die Achseln. »Nimm sie ruhig. Ich werde sie nicht vermissen.«
»Darum geht es nicht, verdammt noch mal!«
»Warum so wütend?«
»Wohin wollt ihr?« entgegnete Angel.
»Nach Norden.«
»Kann ich mit euch kommen?«
»Warum?« fragte Waylander, ehrlich erstaunt.
»Ich weiß nicht, wohin ich sonst gehen soll. Und ich kann Miriel weiter ausbilden.«
Waylander nickte und schwieg eine Weile. »Ist irgend etwas passiert, als ich weg war. Zwischen euch beiden, meine ich?«
Angel wurde rot. »Nichts! Bei den Göttern, Mann, meine Stiefel sind ja älter als sie.«
»Sie könnte es schlechter treffen, Angel. Und ich muß einen Mann für sie finden.«
»Das wird nicht lange dauern. Sie ist ein schönes Mädchen, und es wird guttun zu wissen, daß sie in Sicherheit ist – wie ihre Schwester.«
»Ihre Schwester ist tot«, sagte Waylander. Er bemühte sich, ruhig zu bleiben; seine Stimme war kaum mehr als ein Flüsterton. Wieder tauchte Kryllas Gesicht vor ihm auf, und er spürte, wie sich eine kalte, wilde Wut in ihm aufstaute. »Deswegen jagen sie mich«, fuhr er fort. »Karnaks Sohn hat sie getötet. Der Reichsverweser hat die Kopfgeldjäger bezahlt, weil er Angst hat, ich würde den Jungen zur Rechenschaft ziehen.«
»Barmherzige Götter! Ich wußte nicht, daß es Krylla war«, sagte Angel. »Es hat einen Prozeß gegeben, aber das Opfer wurde nicht einmal genannt. Bodalen wurde für ein Jahr ins Exil geschickt.«
»Wirklich eine harte Strafe!«
»Aber du bist doch nicht hinter ihm her?«
Waylander holte tief Luft, um sich zu beruhigen. »Ich gehe nach Norden«, antwortete er. »Ich reise nach Gothir.«
»Das ist klug«, pflichtete Angel ihm bei. »Du kannst es nicht mit der gesamten Drenai-Armee aufnehmen. Aber du überraschst mich – ich dachte, du würdest deine Rache über alles andere stellen.«
»Vielleicht macht das Alter mich weich.«
Angel grinste. »Du hast nicht gerade weich ausgesehen, als du Senta niedergeschlagen hast. Und wo, zum Teufel, hast du diesen Hund aufgetrieben? Es ist das häßlichste Tier, das ich je gesehen habe. Guck dir nur diese Narben an!«
»Bärenkämpfer«, sagte Waylander. »Im Ruhestand – genau wie du.«
Mit geschwollener, blutverkrusteter Nase trat Senta hinaus in den Sonnenschein, gerade als Angel niederkniete, um den Hund zu streicheln.
»Weißt du, Angel«, sagte der Schwertkämpfer, »die Ähnlichkeit ist verblüffend. Wenn deine Mutter jetzt hier erschiene, sie wüßte nicht, wen von euch beiden sie zum Essen rufen sollte.«
»Die Nase ist eine Verbesserung – und sie blutet wieder«, erwiderte Angel, wandte sich ab und streckte die Hand nach dem Hund aus. Er zeigte die Zähne und knurrte. Angel wich zurück und stand auf.
Senta schniefte und spie Blut; dann ging er an den beiden Männern vorbei und holte seinen Säbel, der noch immer im Staub lag. Mit der Waffe in der Hand schlenderte er zurück zu Waylander. »Gnade ist etwas Seltenes«, sagte er. »Hältst du es für klug, mich am Leben gelassen zu haben?«
»Wenn es sich als Fehler erweist, töte ich dich«, erklärte Waylander.
»Du bist ein ungewöhnlicher Mann. Woher wußtest du,
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