Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
damit hatte ich nichts zu tun. Der verdammte Narr von Dichter, mit dem ich reiste – es ist von ihm. Alles Unsinn.«
Varsava lächelte. »Sie sprechen in gedämpftem Flüstern von Druss und seiner Axt. Selbst Dämonen weichen zurück, wenn er angreift.«
Druss wurde rot. »Bei Astas Titten! Weißt du, daß dieses Lied noch hundert Zeilen mehr hat?« Er schüttelte den Kopf. »Unglaublich!«
»Es gibt Schlimmeres im Leben, als in einem Lied verewigt zu werden. Kommt nicht auch irgendwas von einer verlorenen Frau darin vor? Ist das auch eine Erfindung?«
»Nein, das stimmt«, gab Druss zu. Sein Gesichtsausdruck änderte sich, als er seinen Becher leerte und nachschenkte. In der Stille, die nun eintrat, lehnte Varsava sich zurück und musterte seinen Trinkgefährten. Die Schultern des Mannes waren wahrlich ungeheuer, und er hatte einen Hals wie ein Stier. Doch es war nicht die Größe, die ihm den Anschein eines Riesen verlieh, erkannte Varsava, sondern mehr die Kraft, die er ausstrahlte. Während des Kampfes hatte er zwei Meter groß gewirkt; die anderen Krieger im Vergleich dazu zwergenhaft. Doch hier, beim Wein, schien Druss nichts weiter als ein großer, muskelbepackter junger Mann zu sein. Interessant, dachte Varsava.
»Wenn ich mich recht erinnerte, warst du auch bei der Befreiung von Ectanis und vier anderen Städten im Süden dabei?« tastete er sich vor. Der Mann nickte, sagte aber nichts. Varsava bestellte einen dritten Krug Wein und versuchte, sich an alles zu erinnern, was er über den jungen Axtschwinger gehört hatte. Bei Ectanis, hieß es, hatte er gegen den Meisterkämpfer der Naashaniter, Cuerl, gefochten und war einer der ersten gewesen, der die Mauern erstürmt hatte. Und zwei Jahre später hatte er mit fünfzig anderen Männern den Paß von Kishtay gehalten und somit einer ganzen Legion von Naashanitern den Durchzug versperrt, bis Gorben mit Verstärkung kam.
»Was ist mit dem Dichter passiert?« fragte Varsava, auf der Suche nach einer sicheren Möglichkeit, seine Neugier zu befriedigen.
Druss kicherte. »Er traf eine Frau … genaugenommen mehrere Frauen. In Pusha lebte er mit der Witwe eines jungen Offiziers. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört.« Er lachte wieder und schüttelte den Kopf. »Ich vermisse ihn. Er war ein fröhlicher Gefährte.« Das Lächeln wich aus Druss’ Gesicht. »Du stellst viele Fragen.«
Varsava zuckte die Achseln. »Du bist ein interessanter Mann, und heutzutage gibt es in Lania nicht viel von Interesse. Der Krieg hat das Land langweilig gemacht. Hast du deine Frau denn gefunden?«
»Nein, aber das werde ich. Was ist mit dir? Warum bist du hier?«
»Ich werde dafür bezahlt, hier zu sein«, antwortete Varsava. »Noch ein Krug?«
»Ja, und ich zahle«, versprach Druss. Er griff nach dem großen Messer, das im Tisch steckte, und zog es heraus. »Schöne Waffe. Schwer, aber gut ausgewogen. Guter Stahl.«
»Lentrisch. Ich habe es vor zehn Jahren machen lassen. Ich habe mein Geld noch nie so gut angelegt. Du hast eine Axt, nicht wahr?«
Druss schüttelte den Kopf. »Ich hatte eine. Sie ging verloren.«
»Wie verliert man eine Axt?«
Druss lächelte. »Man fällt von einer Klippe in einen reißenden Strom.«
»Ja, ich kann mir vorstellen, daß es so geht«, antwortete Varsava.
»Was hast du jetzt?«
»Nichts.«
»Gar nichts? Wie bist du ohne Waffe über die Berge nach Lania gekommen?«
»Zu Fuß.«
»Und bist nicht von Räubern angegriffen worden? Warst du mit einer großen Gruppe unterwegs?«
»Ich habe genug Fragen beantwortet. Jetzt bist du an der Reihe. Wer bezahlt dich, um hier in Lania zu sitzen und zu trinken?«
»Ein Adeliger aus Resha, der hier in der Nähe Besitztümer hat. Während er an Gorbens Seite gekämpft hat, kamen Räuber aus den Bergen und plünderten seinen Palast. Seine Frau und sein Sohn wurden gefangengenommen, seine Diener ermordet – oder sie flohen. Er hat mich eingestellt, um den Aufenthaltsort seines Sohnes festzustellen, falls er noch lebt.«
»Nur des Sohnes?«
»Nun, seine Frau wird er ja wohl nicht zurückhaben wollen, oder?«
Druss’ Miene verfinsterte sich. »Doch! Wenn er sie lieben würde.«
Varsava nickte. »Natürlich, du bist ein Drenai«, sagte er. »Die Reichen hier heiraten nicht aus Liebe, Druss. Sie heiraten des Wohlstands wegen oder aus Bündnisgründen oder um Familien weiterbestehen zu lassen. Es kommt nicht selten vor, daß ein Mann feststellt, daß er die Frau liebt, die er heiraten mußte.
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