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Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende

Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende

Titel: Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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hatte den Fluß nicht eingedämmt. Stattdessen hatte er ihn mit jeglicher Art von Unrat gefüllt – toten, aufgeblähten Tieren, madenzerfressenen, verdorbenen Lebensmitteln und den menschlichen Ausscheidungen einer Armee von elftausend Mann. Es war kein Wunder, daß sich unter der Bevölkerung Krankheiten ausbreiteten.
    Trinkwasser wurde jetzt aus artesischen Brunnen gewonnen, doch niemand wußte, wie tief sie waren oder wie lange das Wasser reichen würde. Michanek blickte zu dem klaren blauen Himmel auf: Keine Wolke war in Sicht, und es hatte seit fast einem Monat nicht mehr geregnet.
    Ein junger Offizier kam zu ihm. »Zweihundert Mann mit leichten Wunden, sechzig Tote und dreiunddreißig Krieger, die nicht mehr werden kämpfen können«, meldete er.
    Michanek nickte. Seine Gedanken waren woanders. »Gibt es etwas Neues aus der Inneren Stadt, Bruder?« fragte er.
    »Die Pest flaut ab. Gestern gab es nur sechzig Tote. Die meisten von ihnen waren Kinder oder alte Leute.«
    Michanek stand auf und lächelte den jungen Mann an. »Deine Abteilung hat heute gut gekämpft«, sagte er und schlug seinem Bruder auf die Schulter. »Ich sorge dafür, daß der Kaiser einen Bericht erhält, wenn wir nach Naashan zurückkehren.« Der Mann sagte nichts. Ihre Blicke trafen sich und tauschten den unausgesprochenen Gedanken aus: Falls wir nach Naashan zurückkehren. »Ruh dich ein wenig aus, Narin. Du siehst erschöpft aus.«
    »Du auch, Michi. Und ich war nur während der letzten beiden Angriffe hier – du hingegen schon, ehe die Sonne aufging.«
    »Ja, ich bin müde. Pahtai wird mich wieder aufrichten. Das tut sie immer.«
    Narin lachte leise. »Ich hätte nie gedacht, daß Liebe bei dir so lange anhält. Warum heiratest du das Mädchen nicht? Eine bessere Frau wirst du nie finden. Sie wird in der Stadt verehrt. Gestern ist sie durch die Armenviertel gegangen und hat die Kranken geheilt. Es ist erstaunlich. Sie besitzt mehr Heilkräfte als die Ärzte. Es scheint, daß sie den Sterbenden nur die Hände auflegen muß, damit ihre Beulen verschwinden.«
    »Du redest, als wärst du selbst in sie verliebt«, sagte Michanek.
    »Bin ich auch – ein wenig«, gestand Narin errötend. »Hat sie immer noch diese Träume?«
    »Nein«, log Michanek. »Ich sehe dich heute Abend.« Er stieg die Stufen von den Wehrgängen hinab und ging durch die Straßen. Jedes zweite Haus, schien es, trug das weiße Kreidekreuz, das Zeichen der Pest. Der Markt war verlassen, die Stände leer. Alles war jetzt rationiert, die Nahrungsmittel – hundertzwanzig Gramm Mehl und ein Pfund Trockenobst – wurden jeden Tag in Lagerhäusern im Westen und Osten ausgegeben.
    Warum heiratest du sie nicht?
    Aus zwei Gründen, die er niemandem sagen konnte. Erstens: Sie war bereits mit einem anderen verheiratet, wenn sie es auch nicht mehr wußte. Und zweitens würde es bedeuten, daß er sein Todesurteil unterzeichnete. Rowena hatte vorausgesagt, daß er hier sterben würde, mit Narin an seiner Seite, auf den Tag genau ein Jahr nach seiner Hochzeit.
    Rowena erinnerte sich auch nicht mehr an diese Weissagung; denn die Zauberer hatten gute Arbeit geleistet. Ihr Talent war für sie verloren – ebenso wie alle Erinnerungen an ihre Jugend im Lande der Drenai. Michanek fühlte deswegen keine Schuld. Ihr Talent hatte sie zerrissen, und jetzt endlich lächelte sie und war glücklich. Nur Pudri kannte die ganze Wahrheit, und er war klug genug zu schweigen.
    Michanek bog in die Lorbeerallee ein und stieß die Tore zu seinem Haus auf. Jetzt waren keine Gärtner mehr da, und die Blumenbeete erstickten im Unkraut. Der Springbrunnen funktionierte nicht mehr; der Fischteich war ausgetrocknet und gesprungen. Als er zum Haus ging, kam Pudri ihm entgegengelaufen.
    »Herr, komm schnell, es ist Pahtai!«
    »Was ist passiert?« rief Michanek und packte den kleinen Mann an der Tunika.
    »Die Pest, Herr«, flüsterte er mit Tränen in den Augen. »Es ist die Pest.«
     
    Varsava fand eine Höhle in einer Felswand, die nach Norden zeigte. Sie war tief und schmal und gekrümmt wie eine Sechs. Er entfachte ein kleines Feuer dicht an der Rückwand, unter einem Spalt im Fels, der einen natürlichen Schornstein bildete. Der alte Mann, den Druss zur Höhle getragen hatte, war in einen tiefen, heilsamen Schlaf gefallen. Das Mädchen Dulina lag neben ihm. Nachdem Varsava von außen geprüft hatte, ob man das Feuer sehen konnte, saß er nun im Eingang der Höhle und starrte in den nachtdunklen Wald

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