Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
auf. Sie war jetzt wieder schwarz-silbern. »Das ist eine Zauberwaffe«, flüsterte der Kaiser. »Ich gebe dir zwanzigtausend in Gold dafür.«
»Sie ist nicht zu verkaufen, Majestät«, sagte Druss.
»Ach, Druss, und ich dachte, du hättest mich gern.«
»So ist es auch, mein Freund. Deswegen will ich dir die Waffe ja nicht verkaufen.«
Ein kalter Wind fuhr durch die Höhle. Anindais spürte die Kälte und drehte sich vom Altar weg. Er blickte hinter sich und sah, wie die Alte Frau sich von ihrem Stuhl außerhalb des goldenen Kreises erhob. »Was ist passiert?« fragte er. »Der Axtschwinger hat das Ungeheuer getötet. Können wir noch eins schicken?«
»Nein«, antwortete sie. »Und er hat es nicht getötet, er hat es nur zurück in die Hölle geschickt.«
»Und was tun wir jetzt?«
»Jetzt bezahlen wir für die Dienste des Kaiith.«
»Du sagtest, die Bezahlung würde Gorbens Blut sein.«
»Gorben ist aber nicht gestorben.«
»Dann verstehe ich dich nicht. Und warum ist es so kalt?«
Ein Schatten fiel über den Naashaniter, der herumfuhr und eine riesige Gestalt sah, die vor ihm aufragte. Klauen fuhren nieder und gruben sich in seine Brust.
»Nicht einmal Intelligenz«, wiederholte die Alte Frau und wandte den Schreien den Rücken zu. Sie kehrte in ihre Wohnräume zurück und setzte sich in ihren alten Korbstuhl. »Ach, Druss«, flüsterte sie, »vielleicht hätte ich dich in Mashrapur sterben lassen sollen.«
6
Rowena schlug die Augen auf und sah Michanek an ihrem Bett sitzen. Er trug seine zeremonielle Rüstung aus Bronze und Gold, den Helm mit dem roten Federbusch, die emaillierten Wangenschützer sowie die gehämmerte Brustplatte, die mit Symbolen und Bildern verziert war.
»Du siehst sehr gut aus«, sagte sie schläfrig.
»Und du bist sehr schön.«
Sie rieb sich die Augen und setzte sich. »Warum trägst du das heute? Es ist nicht so hart wie deine alte Brustplatte aus Eisen.«
»Es wird die Kampfmoral der Männer heben.« Er nahm ihre Hand und küßte sie; dann stand er auf und ging zur Tür. Im Türrahmen blieb er stehen, ohne sich umzudrehen. »Ich habe etwas für dich – in meinem Arbeitszimmer. Es ist in Samt gewickelt.«
Dann war er fort.
Nach wenigen Minuten erschien Pudri mit einem Tablett. Darauf befanden sich drei Honigkuchen und ein Becher Apfelsaft. »Der Herr sieht heute großartig aus«, sagte der kleine Mann. Rowena sah Pudris trauriges Gesicht.
»Was ist los, Pudri?«
»Ich mag keine Schlachten«, antwortete er. »So viel Blut und Schmerzen. Aber es ist noch schlimmer, wenn die Gründe für den Kampf durch den Lauf der Ereignisse längst überholt sind. Heute werden Männer völlig grundlos sterben. Ihr Lebensfunke wird ausgepustet wie eine Mitternachtskerze. Und warum? Und wird es damit enden? Nein. Wenn Gorben stark genug ist, wird er eine Rache-Invasion gegen das Volk von Naashan führen. Sinnlos und dumm!« Er zuckte die Achseln. »Vielleicht verstehe ich solche Dinge deshalb nicht, weil ich Eunuch bin.«
»Du verstehst sie sehr gut«, meinte sie. »Sag mir, war ich eine gute Seherin?«
»Oh, das darfst du mich nicht fragen, Herrin. Das war gestern und liegt weit in der Vergangenheit.«
»Hat Michanek dir aufgetragen, die Vergangenheit von mir fernzuhalten?«
Er nickte dumpf. »Er hat es aus Liebe von mir verlangt. Dein Talent hat dich fast umgebracht, und er wollte nicht, daß du noch einmal leidest. Übrigens ist dein Bad fertig. Es ist heiß und dampfend. Ich habe sogar ein wenig Rosenöl für das Wasser aufgetrieben.«
Eine Stunde später spazierte Rowena durch den Garten, als sie sah, daß das Fenster zu Michaneks Arbeitszimmer offenstand. Das war ungewöhnlich; denn dort wurden viele Papiere aufbewahrt, und der Sommerwind wirbelte sie sonst durchs Zimmer. Sie ging ins Haus, öffnete die Tür und schloß das kleine Fenster. Dann sah sie das Päckchen auf dem Eichenschreibtisch. Es war klein und in purpurnen Samt gewickelt, wie Michanek gesagt hatte.
Langsam schlug sie den Samt zurück und entdeckte eine kleine, schlichte Holzschachtel mit einem Deckel, den sie hochhob. Darin lag eine Brosche, die schlicht, fast schon derb aus weichen Kupferdrähten gefertigt war, die einen Mondstein umfaßten. Plötzlich war ihr Mund trocken. Ein Teil ihres Geistes sagte ihr, daß die Brosche neu für sie war, doch eine winzige Alarmglocke klang in den tiefsten Tiefen ihrer Seele.
Sie gehört mir!
Ihre rechte Hand näherte sich langsam der Brosche, hielt inne, als die
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