Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
naashanitischen Eroberern beschuldigte.
Gorben ließ die Pöbelhaufen auflösen und versprach gerichtliche Untersuchungen zu einem späteren Zeitpunkt, um jene ausfindig zu machen, die des Verrats beschuldigt werden mußten. Die Toten wurden in zwei Massengräbern vor den Stadtmauern beigesetzt, und der Kaiser ließ ein Mahnmal über den gefallenen Ventriern errichten: einen riesigen steinernen Löwen, in dessen Sockel die Namen der Toten eingemeißelt wurden. Über dem naashanitischen Grab erhob sich kein Stein. Michanek jedoch wurde in der Halle der Gefallenen beigesetzt, unter dem großen Palast auf dem Hügel, der wie eine Krone in der Mitte Reshas stand.
Lebensmittel wurden herbeigeschafft, um die Bevölkerung zu ernähren; Bauarbeiter begannen mit ihrer Arbeit und zerstörten die Dämme, die der Stadt das Wasser abgegraben hatten; sie bauten die Mauern wieder auf und behoben die Schäden an den Häusern und Geschäften, welche die riesigen Steine angerichtet hatten, die in den vergangenen drei Monaten von den Wurfmaschinen über die Mauern geschleudert worden waren.
Druss interessierte sich nicht für die Angelegenheiten der Stadt. Tag um Tag saß er an Rowenas Bett und hielt ihre kalte, blasse Hand.
Nachdem Michanek gestorben war, hatte Druss sein Haus aufgesucht. Den Weg hatte ihm ein naashanitischer Soldat beschrieben, der den letzten Angriff überlebt hatte. Mit Sieben und Eskodas war er durch die Straßen der Stadt gelaufen, bis er schließlich zu dem Haus auf dem Hügel gekommen war, das sie durch einen wunderschönen Garten betraten. Dort saß ein kleiner Mann weinend an einem Zierteich. Druss packte ihn an seiner wollenen Tunika und zerrte ihn auf die Füße. »Wo ist sie?« fragte er.
»Sie ist tot«, jammerte der Mann, dem die Tränen über die Wangen strömten. »Sie hat Gift genommen. Ein Priester ist bei ihr.« Er zeigte auf das Haus; dann weinte er weiter. Druss ließ ihn los und stürmte ins Haus und die geschwungene Treppe hinauf. Die ersten drei Zimmer waren leer, doch im vierten fand er den Priester von Pashtar Sen am Bett sitzend.
»Bei den Göttern, nein!« brüllte Druss, als er die leblose Gestalt seiner Rowena sah, mit aschfahlem Gesicht und geschlossenen Lidern. Der Priester blickte auf. Seine Augen wirkten müde.
»Sag nichts«, bat der Priester. Seine Stimme klang schwach und wie aus weiter Ferne. »Ich habe nach einem … einem Freund geschickt. Und ich brauche meine ganze Kraft, um sie am Leben zu halten.« Er schloß die Augen. Verlegen ging Druss zur anderen Seite des Bettes und schaute auf die Frau hinunter, die er seit so langer Zeit liebte. Vor sieben Jahren hatte er sie zuletzt gesehen, und ihre Schönheit riß mit stählernen Klauen an seinem Herzen. Er mußte schlucken und setzte sich auf die Bettkante. Der Priester hielt Rowenas Hand. Schweiß lief ihm übers Gesicht und hinterließ graue Streifen auf seinen Wangen. Er wirkte zu Tode erschöpft. Als Sieben und Eskodas eintraten, bedeutete Druss ihnen, zu schweigen, und so setzten sie sich und warteten.
Es dauerte noch fast eine Stunde, bis ein weiterer Mann eintrat: ein kahler, untersetzter Bursche mit rundem, rotem Gesicht und seltsam abstehenden Ohren. Er trug eine lange weiße Tunika und hatte eine große Ledertasche an einem goldbestickten Riemen über die Schulter geschlungen. Ohne ein Wort an die drei Männer zu richten, ging er zum Bett und legte seine Finger an Rowenas Hals.
Der Priester von Pashtar Sen schlug die Augen auf. »Sie hat Yaswurzel genommen, Shalitar«, sagte er.
Der kahle Mann nickte. »Wie lange ist das her?«
»Drei Stunden. Aber ich konnte verhindern, daß das meiste ins Blut gelangte. Ein kleiner Teil ist jedoch bis ins Lymphsystem gedrungen.«
Shalitar pfiff durch die Zähne; dann griff er in die Ledertasche. »Einer von euch soll Wasser holen«, befahl er. Eskodas stand auf und kehrte nach wenigen Augenblicken mit einem silbernen Krug zurück. Shalitar bat ihn, dicht am Kopfende des Bettes stehenzubleiben; dann holte er ein kleines Päckchen mit Pulver aus seiner Tasche, das er in den Krug streute. Es schäumte kurz auf; dann setzte es sich. Wieder griff er in die Tasche und holte ein langes, graues Röhrchen und einen Trichter heraus. Dann öffnete er Rowena den Mund.
»Was tust du da?« tobte Druss und packte seine Hand. Der Arzt ließ sich nicht stören. »Wir müssen den Trank in ihren Magen bekommen. Wie du siehst, kann sie nicht ohne fremde Hilfe trinken. Also werde ich ihr
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