Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
Shadak. »Drei Männer griffen deinen Vater an. Er tötete zwei mit bloßen Händen und verkrüppelte den dritten. Deine Mutter wurde von einem angreifenden Pferd niedergeworfen.«
»Er hat zwei Männer getötet?« fragte Druss erstaunt. »Bist du sicher?«
»So lautet die Geschichte.«
»Das kann ich nicht glauben. Er ist stets jeder Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen. Er hat sich nie verteidigt. Er war schwach … ohne Rückgrat.«
»Das glaube ich nicht.«
»Du hast ihn nicht gekannt.«
»Ich sah, wo er lag, und ich sah die Toten um ihn herum. Und ich kenne viele Geschichten über Bardans Sohn. Keine berichtet, daß er feige gewesen sei. Nachdem sein Vater getötet worden war, versuchte er, sich in vielen Städten unter vielen Namen niederzulassen. Aber immer wurde er entdeckt und zur Flucht gezwungen. Doch bei mindestens drei Gelegenheiten wurde er verfolgt und angegriffen. Gleich außerhalb von Drenan wurde dein Vater von fünf Soldaten umzingelt. Einer schoß ihm einen Pfeil in die Schulter. Bress trug damals einen Säugling bei sich, und den Soldaten zufolge legte er das Kind hinter einen Felsen und griff sie dann an. Er hatte keine Waffe, und sie alle waren mit Schwertern bewaffnet. Doch er brach einen Ast von einem Baum und stürzte sich auf sie. Zwei gingen rasch zu Boden; die anderen machten kehrt und ergriffen die Flucht. Ich weiß, daß diese Geschichte wahr ist, Druss, denn mein Bruder war einer der Soldaten. Es war in dem Jahr, ehe er beim Sathulifeldzug getötet wurde. Er sagte, daß Bardans Sohn ein schwarzbärtiger Riese mit der Kraft von sechs Männern war.«
»Ich wußte nichts davon«, sagte Druss. »Warum hat er nie davon gesprochen?«
»Warum sollte er? Vielleicht hat es ihm kein Vergnügen bereitet, der Sohn eines Ungeheuers zu sein. Vielleicht gefiel es ihm nicht, darüber zu reden, daß er mit bloßen Händen getötet hatte oder Männer mit einem Ast bewußtlos schlug.«
»Ich habe ihn überhaupt nicht gekannt«, flüsterte Druss. »Überhaupt nicht.«
»Ich vermute, er kannte dich auch nicht«, sagte Shadak mit einem Seufzer. »Das ist der Fluch von Eltern und Kindern.«
»Hast du Söhne?«
»Einen. Er starb vor einer Woche in Corialis. Er hielt sich für unsterblich.«
»Was ist passiert?«
»Er widersetzte sich Collan und wurde in Stücke gehauen.« Shadak räusperte sich und stand auf. »Zeit, ein wenig zu schlafen. Es wird bald hell, und ich bin nicht mehr der Jüngste.«
»Schlaf gut«, sagte Druss.
»Werde ich, mein Freund. Ich schlafe immer gut. Geh zurück zu deinen Eltern und finde ein paar Worte.«
»Warte!« rief Druss.
»Ja«, sagte der Schwertkämpfer und blieb in der Tür stehen.
»Du hattest recht. Ich hätte nicht gewollt, daß Rowena allein in den Bergen zurückbliebe. Ich habe im … Zorn … gesprochen.«
Shadak nickte. »Ein Mann ist nur so stark wie das, was ihn zornig macht. Denk daran, Freund.«
Shadak konnte nicht schlafen. Er saß in dem breiten Ledersessel neben dem Kamin, die langen Beine ausgestreckt, den Kopf auf einem Kissen, den Körper entspannt. Doch sein Geist war in Aufruhr – Bilder, Erinnerungen zuckten durch seine Gedanken.
Er sah wieder den Friedhof der Sathuli vor sich, und Jonacin, bis zur Hüfte nackt, einen Krummsäbel mit breiter Klinge in den Händen und einen kleinen Eisenschild an den linken Unterarm gebunden.
»Hast du Angst, Drenai?« fragte Jonacin.
Shadak antwortete nicht. Langsam schnallte er sein Wehrgehänge ab; dann zog er sein dickes Wollhemd aus. Die Sonne schien warm auf seinen Rücken, die frische Bergluft füllte seine Lungen. Heute wirst du sterben, sagte die Stimme seiner Seele.
Und dann begann das Duell. Zuerst gelang es Jonacin, eine Wunde zu schlagen, einen schmalen Schnitt auf Shadaks Brust. Mehr als tausend Sathuli-Zuschauer, die um den Friedhof herum standen, jubelten, als Blut floß. Shadak machte einen Satz zurück.
»Willst du es nicht mit dem Ohr versuchen?« fragte er leichthin. Jonacin ließ ein wütendes Grollen hören und griff erneut an. Shadak wehrte einen Stich ab; dann ließ er einen Hieb in das Gesicht des Sathulis folgen. Er glitt am Wangenknochen ab, doch der Mann taumelte. Shadak setzte mit einem Bauchstoß nach, und der Sathuli schwankte nach rechts, so daß die Klinge ihm die Haut an der Hüfte aufschlitzte. Jetzt war es an Jonacin, zurückzuspringen. Blut quoll aus der Wunde an seiner Seite. Er berührte sie mit den Fingern und starrte verwundert darauf.
»Ja«, sagte
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