Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
der Mitte mühten sich die Stammeskrieger zuerst, den Wahnsinnigen mit der Axt zu überwinden, dann, ihm zu entkommen, als andere Drenaikrieger sich ihm anschlossen.
Angst verbreitete sich wie ein Lauffeuer in ihren Reihen.
Nach wenigen Minuten strömten sie durch das Tal zurück.
Druss führte die Krieger wieder zur Schlachtordnung. Sein Wams war blutbefleckt, sein Bart rotgesprenkelt. Er öffnete sein Hemd, zog ein Handtuch heraus und wischte sich das schweißnasse Gesicht ab. Er nahm den schwarzsilbernen Helm ab, um sich den Kopf zu kratzen.
»Na, Jungs«, rief er, und seine tiefe Stimme hallte zwischen den Felsen wider, »was ist das für ein Gefühl, seinen Sold verdient zu haben?«
»Sie kommen zurück!« rief jemand.
Druss’ Stimme schnitt die aufkeimende Angst ab. »Natürlich«, brüllte er. »Sie wissen nicht, wann sie geschlagen sind. Die erste Reihe fällt zurück, die zweite Reihe hält stand. Wir teilen den Ruhm!«
Druss blieb bei der ersten Reihe, Diagoras und Certak an seiner Seite.
Bei Sonnenuntergang hatten sie vier Angriffe zurückgeschlagen und dabei nur vierzig Männer verloren – dreißig waren tot, zehn verwundet.
Die Panthier hatten über achthundert Mann verloren.
Es war eine makabre Szene in jener Nacht, als die Drenai um kleine Lagerfeuer herumsaßen und die Flammen eigentümliche Schatten auf die Mauer aus Toten am Paß warfen, so daß es aussah, als würden die Leichen sich in die Dunkelheit winden. Delnar befahl, alle Flechtschilde zu sammeln, die man finden konnte, und so viele Speere und Spieße, wie noch brauchbar waren.
Gegen Mitternacht schliefen viele der alten Kämpen, doch für andere waren die Aufregungen des Tages noch zu frisch, und sie saßen in kleinen Gruppen beisammen und unterhielten sich leise.
Delnar ging von Gruppe zu Gruppe, setzte sich zu ihnen, scherzte und munterte sie auf. Druss schlief in Siebens Zelt, hoch oben am Eingang des Passes. Der Dichter hatte einen Teil der Kampfhandlungen von seinem Bett aus beobachtet und war während des langen Nachmittags eingeschlafen.
Diagoras, Orases und Certak saßen mit einem halben Dutzend anderer Männer zusammen, als Delnar sich zu ihnen gesellte.
»Wie fühlt ihr euch?« fragte der Graf.
Die Männer lächelten. Was sollten sie darauf schon antworten?
»Darf ich eine Frage stellen, Graf?« fragte Orases.
»Sicher.«
»Wie kommt es, daß Druss so lange am Leben geblieben ist? Ich meine, er hat keine nennenswerte Verteidigung.«
»Das ist ein interessanter Punkt«, sagte der Graf, nahm seinen Helm ab und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Er genoß die kühle Nachtluft. »Deine Frage enthält bereits die Antwort. Es liegt daran, daß er sich nicht verteidigt. Diese furchtbare Axt verletzt nur selten einen Mann; meist ist sie tödlich. Wer Druss töten will, muß bereit sein, zu sterben. Nein, nicht nur bereit. Man müßte Druss in dem sicheren Wissen angreifen, daß er einen tötet. Die meisten Männer aber wollen leben. Verstehst du?«
»Nicht ganz, Graf«, gestand Orases.
»Kennst du die eine Sorte von Kriegern, denen niemand gegenüberstehen will?« fragte Delnar.
»Nein.«
»Dem Berserker. Einem Mann, dessen Blutrausch ihn blind gegen Schmerzen macht und gleichgültig gegenüber dem Leben. Er wirft seine Rüstung fort und greift den Feind an, kämpft und tötet, bis er selbst in Stücke gehauen ist. Ich habe einmal einen Berserker gesehen, der einen Arm verloren hatte. Er richtete den Blutstrom, der aus seinem Stumpf quoll, auf die Gesichter seiner Angreifer und kämpfte weiter, bis er umfiel.
Niemand will gegen einen solchen Mann kämpfen. Nun, Druss ist noch schrecklicher als ein Berserker. Er besitzt dieselben Eigenschaften, hat seine Raserei aber unter Kontrolle. Er kann klar denken. Und wenn du noch seine ungeheure Kraft dazunimmst, wird er eine wahre Vernichtungsmaschine.«
»Aber ein Zufallstreffer mitten im Gemenge«, meinte Diagoras, »oder ein Ausrutscher in einer Blutlache – er kann genauso gut sterben wie jeder andere Mann.«
»Ja«, gab Delnar zu. »Ich sage ja auch nicht, daß er nicht so sterben wird, nur, daß alle Chancen für Druss sprechen. Die meisten von euch haben ihn heute gesehen. Wer neben ihm kämpfte, hatte keine Zeit, seine Technik zu beobachten; aber andere konnten einen Blick auf die Legende werfen. Er ist immer im Gleichgewicht, immer in Bewegung. Seine Augen stehen nie still. Seine Wahrnehmung ist unglaublich. Er kann selbst mitten im Chaos die Gefahr
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