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Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende

Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende

Titel: Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Die Nashaaniter haben mehr als zwanzigmal soviel. Hast du je gesehen, wie Tigerameisen einen Skorpion angreifen?«
    »Ja, Herr.«
    »Sie schwärmen über das ganze Tier aus. So wird der Feind Capalis erstürmen.«
    »Wir kämpfen bis zum Tod«, versprach einer der Offiziere.
    Gorben blieb stehen und drehte sich um. »Das weiß ich«, sagte er. Seine dunklen Augen blitzten zornig. »Aber zu sterben bringt uns nicht den Sieg, oder, Jasua?«
    »Nein, Herr.«
    Gorben ging weiter, durch fast leere Straßen, an vernagelten, verlassenen Läden und leeren Schänken vorbei. Schließlich erreichte er den Eingang zur Ratshalle. Der Ältestenrat war schon längst fort, und das alte Gebäude war zum Hauptquartier der Miliz von Capalis geworden. Gorben betrat die Halle, ging zu seinen Gemächern und entließ seine Offiziere mit einer Handbewegung, ebenso wie die beiden Diener, die auf ihn zu rannten – der eine mit einem goldenen Becher voll Wein, der andere mit einem Handtuch, das mit warmem, parfümiertem Wasser getränkt war.
    Sobald er drinnen war, schleuderte der junge Kaiser seine Stiefel von den Füßen und warf seinen weißen Umhang über einen Stuhl. Ein großes Fenster ging nach Osten hinaus; davor stand ein Schreibpult aus Eiche, auf dem viele Landkarten und Berichte von Spähern und Spionen lagen. Gorben setzte sich und starrte die größte Karte an. Sie zeigte das Ventrische Kaiserreich und war vor sechs Jahren von seinem Vater in Auftrag gegeben worden.
    Gorben glättete das Leder und betrachtete die Karte mit unverhohlener Wut. Zwei Drittel des Reiches waren überrannt worden. Er lehnte sich im Stuhl zurück und dachte an den Palast in Nusa, wo er geboren und aufgewachsen war. Errichtet auf einem Hügel oberhalb eines grünen Tals, mit Blick auf eine strahlende Stadt aus weißem Marmor, hatte es zwölf Jahre gedauert, um den Palast zu bauen; zu einer Zeit hatten mehr als achttausend Arbeiter gleichzeitig daran gebaut, hatten Blöcke aus Granit und Marmor und gewaltige Stämme von Zeder, Eiche und Ulme herbeigeschleppt, die von den königlichen Zimmerleuten und Steinmetzen bearbeitet wurden.
    Nusa – die erste Stadt, die gefallen war. »Bei allen Göttern der Hölle, Vater, ich verfluche dich!« zischte Gorben. Sein Vater hatte das Heer verkleinert und sich auf den Reichtum und die Macht seiner Statthalter verlassen, um die Grenzen des Landes zu schützen. Doch vier der neun Statthalter hatten ihn verraten und den Nashaanitern den Weg für ihre Invasion geebnet. Sein Vater hatte eine Armee um sich geschart, um sich ihnen zu stellen, doch seine militärischen Fähigkeiten waren praktisch gleich Null. Er hatte tapfer gekämpft, hatte man Gorben erzählt – aber etwas anderes hätten sie dem neuen Kaiser wohl auch kaum gesagt.
    Der neue Kaiser! Gorben stand auf und ging zu dem versilberten Spiegel an der Wand. Er sah einen jungen, gutaussehenden Mann mit schwarzem Haar, das vor Duftöl glänzte, und tiefliegenden dunklen Augen. Es war ein markantes Gesicht – aber war es das Gesicht eines Kaisers? Kannst du den Feind überwinden? fragte er sich lautlos, wohl wissend, daß jedes gesprochene Wort von Dienern gehört und weitergegeben wurde. Die vergoldete Brustplatte wurde seit zweihundert Jahren von Kriegskaisern getragen, und der Purpurmantel war das Zeichen höchster Würde. Aber das waren nur Äußerlichkeiten. Was allein zählte, war der Mann, der sie trug. Bist du Manns genug? Er starrte sein Spiegelbild an, nahm die breiten Schultern und die schmalen Hüften, die muskulösen Beine und kräftigen Arme in sich auf. Aber auch das waren lediglich Äußerlichkeiten, wie er wußte. Der Mantel der Seele.
    Bist du Manns genug?
    Der Gedanke verfolgte ihn, und er widmete sich wieder seinen Studien. Die Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt, starrte Gorben wieder auf die Karte. Mit Kohlestift war die neue Verteidigungslinie darauf eingezeichnet: Capalis im Westen, Larian und Ectanis im Osten. Gorben warf die Karte beiseite. Darunter lag eine zweite Karte, die die Hafenstadt Capalis zeigte. Vier Tore, sechzehn Türme und eine einzige Mauer, die sich vom Meer im Süden in einem Halbkreis bis zu den Klippen im Norden erstreckte. Drei Kilometer Mauer, vierzehn Meter hoch, bewacht von dreitausend Mann, von denen viele neue Rekruten waren, die weder Schilde noch Brustplatten hatten.
    Gorben stand auf und trat auf den Balkon hinaus. Er betrachtete den Hafen und das offene Meer. »Ach, Bodasen, mein Bruder, wo bist du?«

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