Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
Körper eines der Delphine, der gerade aus dem Wasser sprang.
Binnen Sekunden waren die Wesen verschwunden.
Druss starrte den Bogenschützen finster an, während die anderen ihn in plötzlicher Wut anschrien.
»Es war doch nur ein Fisch!« rief der Schütze.
Milus Bar schob sich durch die Menge. »Du Idiot!« sagte er. Sein Gesicht war unter der Sonnenbräune fast grau geworden. »Das sind die Götter des Meeres! Sie kommen zu uns, um uns zu huldigen. Manchmal leiten sie uns sogar durch tückische Gewässer. Warum mußtest du schießen?«
»Es war ein gutes Ziel«, antwortete der Mann. »Außerdem war es meine Entscheidung.«
»Ja, das stimmt, Freundchen«, erklärte Milus. »Aber wenn wir jetzt Pech haben, wird es auch meine Entscheidung sein, dir deine Eingeweide rauszuschneiden und sie den Haien zum Fraß vorzuwerfen.« Der stämmige Kapitän stapfte zurück zum Steuerdeck. Die vorher so gute Stimmung war umgeschlagen, und die Männer begaben sich ohne rechte Lust wieder an ihre Arbeit.
Sieben ging zu Druss. »Bei den Göttern, waren sie wundervoll«, sagte der Dichter. »Der Legende nach wird Astas Kutsche von sechs weißen Delphinen gezogen.«
Druss seufzte. »Wer hätte gedacht, daß jemand ernsthaft einen von ihnen töten wollte? Weißt du, ob man sie essen kann?«
»Nein«, antwortete Sieben. »Im Norden verheddern sie sich manchmal in den Fischernetzen und ertrinken. Ich habe Männer gekannt, die das Fleisch gekocht haben. Sie sagen, es schmeckt scheußlich und ist praktisch unverdaulich.«
»Um so schlimmer«, knurrte Druss.
»Es unterscheidet sich nicht von irgendeiner anderen Jagd aus sportlichem Vergnügen, Druss. Ist ein Reh nicht ebenso schön wie ein Delphin?«
»Ein Reh kann man essen. Wildbret ist etwas anderes.«
»Aber die meisten jagen nicht, um zu essen, oder? Nicht die Adeligen. Sie jagen zum Vergnügen. Sie haben Spaß an der Jagd, an der Angst der Beute, dem Moment des Tötens. Tadle diesen Mann nicht allein seiner Dummheit wegen. Er stammt, wie wir alle, aus einer grausamen Welt.«
Eskodas kam zu ihnen. »Nicht sehr inspirierend, nicht wahr?« sagte der Bogenschütze.
»Wer oder was?«
»Der Mann, der den Fisch erschoß.«
»Wir haben gerade darüber gesprochen.«
»Ich wußte nicht, daß ihr etwas vom Bogenschießen versteht«, sagte Eskodas überrascht.
»Bogenschießen? Wovon redest du überhaupt?«
»Von dem Schützen. Er hat in einer einzigen Bewegung gespannt und geschossen. Ohne zu zögern. Es ist wichtig, innezuhalten und das Ziel anzuvisieren. Er dagegen war übereifrig, um zu töten.«
»Das mag sein, wie es will«, sagte Sieben, dessen Verärgerung wuchs, »wir sprachen von der Ethik des Jagens.«
»Der Mensch ist von Natur aus ein Killer«, sagte Eskodas freundlich. »Ein geborener Jäger. Wie er da!« Sieben und Druss drehten sich um und sahen eine silberweiße Finne, die das Wasser durchschnitt. »Ein Hai. Er hat das Blut des verwundeten Delphins gerochen. Jetzt wird er ihn jagen und seiner Spur folgen wie ein Fährtenleser der Sathuli.«
Druss beugte sich über die Reling und betrachtete die schimmernde Gestalt, die unter ihnen vorbeiglitt. »Großer Bursche«, meinte er.
»Sie werden noch größer«, erklärte Eskodas. »Ich war mal auf einem Schiff, das vor der lentrischen Küste bei einem Gewitter sank. Vierzig von uns überlebten den Untergang und versuchten, das Ufer zu erreichen. Dann kamen die Haie. Nur drei von uns haben es geschafft – und einem davon wurde der rechte Arm abgerissen. Er starb drei Tage später.«
»Ein Gewitter, sagst du?« fragte Druss.
»Ja.«
»Wie das da?« Druss zeigte nach Osten, wo sich dicke dunkle Wolken zusammenballten. Ein Blitz zuckte über den Himmel, gefolgt von einem gewaltigen Donnerschlag.
»Ja, so eins. Hoffen wir, daß es nicht in unsere Richtung kommt.«
Binnen wenigen Minuten verdunkelte sich der Himmel. Hohe Wellen hoben und senkten sich. Die Donnerkind rollte und stampfte auf den Kämmen riesiger Wogen, um anschließend in gewaltige Wassertäler hinabzugleiten. Dann setzte der Regen ein, immer heftiger: eisige Nadeln, die wie Pfeile vom Himmel schossen.
Sieben, der an der Backbordreling kauerte, warf einen Blick zu der Stelle, an der der unglückselige Bogenschütze hockte. Der Mann, der den Delphin auf dem Gewissen hatte, war allein und hielt sich an einem Seil fest. Blitze zuckten über dem Schiff.
»Ich würde sagen, unser Glück hat sich gewendet«, stellte Sieben fest.
Doch weder Druss noch
Weitere Kostenlose Bücher