Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
um zu herrschen. Wenn die Axt besessen ist, hat sie gewiß eine Geschichte – eine finstere Geschichte. Frag ihn nach ihrer Vergangenheit. Und wenn du sie hörst – und von den Männern, die diese Waffe trugen –, wirst du meine Worte verstehen.«
Sieben dankte dem Mann und verließ den Tempel. Er sah keine Spur von Druss, und der Dichter hatte nicht das Bedürfnis, sich den Mauern zu nähern. Er schlenderte durch die beinahe verlassene Stadt, bis er Musik aus einem nahe gelegenen Garten kommen hörte. Er ging auf das schmiedeeiserne Tor zu und sah drei Frauen in dem Garten sitzen. Eine von ihnen spielte die Lyra, die anderen sangen ein sanftes Liebeslied dazu, als Sieben durch das Tor trat.
»Einen guten Tag, meine Damen«, sagte er mit seinem betörendsten Lächeln. Die Musik verklang, und die drei starrten ihn an. Sie waren jung und hübsch – die älteste, schätzte er, etwa siebzehn. Sie hatte dunkle Haare und dunkle Augen, volle Lippen und eine schlanke Figur. Die beiden anderen waren kleiner, blond, mit blauen Augen. Sie trugen Kleider aus schimmerndem Satin, die dunkelhaarige in Blau, die anderen in Weiß.
»Wolltest du unseren Bruder besuchen, Herr?« fragte das dunkelhaarige Mädchen, stand auf und legte die Lyra auf ihren Stuhl.
»Nein, ich wurde von der Schönheit eures Spiels und den süßen Stimmen, die es begleiteten, hierhergezogen. Ich bin ein Fremder hier, und ich liebe alles Schöne, und ich danke dem Schicksal für die Augenweide, die ich hier vorfinde.« Die jüngeren Mädchen lachten, doch die ältere Schwester lächelte nur.
»Schöne Worte, Herr, und wohl gesetzt, und zweifellos viel geübt. Sie haben die scharfen Schneiden von Waffen, die oft in Gebrauch sind.«
Sieben verbeugte sich. »In der Tat, meine Dame. Es ist mein Vergnügen und eine große Ehre für mich, Schönheit zu bemerken, wo immer ich sie finde, ihr Ehre zu erweisen und das Knie vor ihr zu beugen. Aber das macht meine Worte nicht weniger aufrichtig.«
Sie lächelte strahlend; dann lachte sie laut auf. »Ich glaube, du bist ein Schelm, Herr, und ein Wüstling dazu, und zu anderen Zeiten würde ich einen Diener rufen, um dich von unserem Besitz geleiten zu lassen. Da wir uns jedoch im Krieg befinden, und es somit sehr langweilig ist, heiße ich dich willkommen – doch nur so lange, wie du unterhaltsam bist.«
»Schöne Dame, ich glaube, ich kann dir Unterhaltung genug versprechen, sowohl in Worten als auch in Taten.« Sieben freute sich, daß sie bei diesen Worten nicht errötete, wenngleich die jüngeren Schwestern rot wurden.
»Sehr schöne Versprechungen, Herr. Aber du wärst deiner wohl nicht so sicher, wenn du wüßtest, welch hochkarätige Vergnügungen ich bereits genossen habe.«
Jetzt war es Sieben zu lachen. »Wenn du mir damit sagen willst, daß Azhral, der Himmelsfürst, in dein Zimmer kam und dich in den Palast der Unendlichen Vielfalt brachte, dann wäre ich allerdings leicht besorgt.«
»Ein solches Buch sollte in anständiger Gesellschaft nicht erwähnt werden«, tadelte sie.
Er trat näher und nahm ihre Hand, hob sie an seine Lippen und drehte sie um, um die Handfläche zu küssen. »Im Gegenteil«, sagte er leise, »das Buch hat große Vorzüge, denn es scheint wie eine Laterne an verborgenen Plätzen. Es teilt die Schleier und führt uns auf den Pfad der Lust. Ich empfehle das sechzehnte Kapitel für alle frisch Verliebten.«
»Ich heiße Asha«, sagte sie, »und deine Taten sollten deinen Worten in nichts nachstehen – denn ich reagiere sehr empfindlich auf Enttäuschungen.«
»Du hast geträumt, Pahtai«, sagte Pudri, als Rowena die Augen aufschlug und sich in der Sonne am Ufer des Sees wiederfand.
»Ich weiß nicht, was passiert ist«, berichtete sie dem kleinen Eunuchen. »Es war, als würde meine Seele aus meinem Körper gezerrt. Da war ein Zimmer, und Druss saß mir gegenüber.«
»Kummer läßt viele hoffnungsvolle Träume blühen«, zitierte Pudri.
»Nein, es war wirklich. Aber die Verbindung löste sich, und ich kam zurück, ehe ich ihm sagen konnte, wo ich bin.«
Er tätschelte ihre Hand. »Vielleicht passiert es noch einmal«, sagte er beruhigend, »aber jetzt mußt du dich sammeln. Der Herr gibt ein Fest für den großen Statthalter, den Satrapen Shabag. Er soll die Truppen um Capalis herum befehligen, und es ist sehr wichtig, daß du ihm gute Omen deutest.«
»Ich kann nur die Wahrheit bieten.«
»Es gibt viele Wahrheiten, Pahtai. Ein Mann hat vielleicht nur noch
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