Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
tun.«
»Das wäre auch kein Mut, Druss. Und Rowena würde es nicht wollen. Ihr Wunsch wäre, daß du glücklich bist, daß du wieder heiratest.«
»Niemals!«
»Du bist noch nicht einmal zwanzig, mein Freund. Es gibt noch andere Frauen.«
»Keine wie sie. Aber sie ist nicht mehr, und ich werde nicht mehr von ihr sprechen. Ich trage sie hier«, sagte er und tippte sich an die Brust, dort, wo sein Herz war, »und ich werde sie nicht vergessen. Und jetzt wieder zurück zu dem, was du über die Kriegsführung des Ostens sagen wolltest.«
Sieben nahm einen Becher von dem Regal am Fenster, blies den Staub daraus und füllte ihn mit Wasser, das er auf einen Zug trank. »Himmel, schmeckt das scheußlich! Also schön … Kriegskunst des Ostens. Was willst du noch wissen?«
»Nun«, sagte Druss langsam, »ich weiß, daß der Feind viermal am Tag angreifen kann. Aber warum haben sie nur eine Mauer angegriffen? Sie haben genügend Männer, um die Stadt zu umzingeln und an vielen Stellen gleichzeitig anzugreifen.«
»Das werden sie auch, Druss, aber nicht im ersten Monat. Dies ist eine Probezeit, sozusagen. Ungeübte junge Soldaten werden nach ihrem Mut während der ersten paar Wochen beurteilt. Dann bringen sie die Belagerungsmaschinen ins Spiel. Das dürfte im zweiten Monat stattfinden. Danach vielleicht Katapulte, die große Steine über die Mauern schleudern. Wenn am Ende des Monats kein Erfolg erzielt wurde, werden sie ihre Techniker zusammenrufen und die Mauern unterhöhlen, um sie zum Einsturz zu bringen.«
»Und welche Regeln gelten für die Belagerten?« fragte der Axtträger.
»Was meinst du?«
»Nun, angenommen, wir wollten sie angreifen. Könnten wir das auch nur viermal am Tag? Wie lauten die Regeln?«
»Es ist keine Frage von Regeln, Druss, eher eine Frage des gesunden Menschenverstands. Gorben ist dem Feind etwa zwanzig zu eins unterlegen. Wenn er angriffe, würde er vernichtet.«
Druss nickte und verfiel in Schweigen. Schließlich ergriff er wieder das Wort. »Ich werde Oliquar um dieses Buch bitten. Du kannst es mir vorlesen, dann verstehe ich es schon.«
»Können wir jetzt schlafen?« fragte Sieben.
Druss nickte und nahm seine Axt. Er zog weder Stiefel noch Wams aus und streckte sich auf dem zweiten Bett aus, Snaga an seiner Seite.
»Du brauchst keine Axt im Bett, um zu schlafen.«
»Sie tröstet mich«, antwortete Druss und schloß die Augen.
»Woher hast du sie?«
»Sie gehörte meinem Großvater.«
»War er ein großer Held?« fragte Sieben hoffnungsvoll.
»Nein, er war ein Wahnsinniger und ein schrecklicher Schlächter.«
»Wie schön«, sagte Sieben und streckte sich auf seinem eigenen Bett aus. »Es ist gut zu wissen, daß man sich zur Not auf eine Familientradition berufen kann.«
6
Gorben lehnte sich in seinem Stuhl zurück, während sein Diener Mushran sorgfältig die Stoppeln von seinem Kinn schabte. Gorben schaute zu dem alten Mann auf. »Was starrst du so?« fragte er.
»Du bist müde, mein Junge. Deine Augen haben rote Ränder, und darunter hast du dunkle Ringe.«
Gorben lächelte. »Eines Tages wirst du mich ›großer Herr‹ oder ›mein Kaiser‹ nennen. Für diesen Tag lebe ich, Mushran.«
Der alte Mann kicherte. »Andere können dich mit solchen Titeln anreden. Sie können sich vor dir zu Boden werfen und mit der Stirn die Steine berühren. Aber wenn ich dich betrachte, mein Junge, sehe ich das Kind, das vor dem Mann war, und den Säugling, der vor dem Kind war. Ich habe dir deine Mahlzeiten bereitet und dir den Hintern abgewischt. Und ich bin zu alt, um meinen armen Kopf jedesmal auf die Steine zu schlagen, wenn du in ein Zimmer kommst. Außerdem wechselst du das Thema. Du brauchst mehr Ruhe.«
»Ist dir entgangen, daß wir seit einem Monat unter Belagerung stehen? Ich muß mich den Männern zeigen. Sie müssen mich kämpfen sehen, sonst verlieren sie den Mut. Und ich muß Proviant organisieren, Rationen festlegen – hundert verschiedene Pflichten erfüllen. Such mir ein paar zusätzliche Stunden pro Tag, und ich ruhe mich aus, das verspreche ich dir.«
»Du brauchst nicht mehr Stunden«, fauchte der alte Mann, hob die Rasierklinge und wischte Öl und Stoppeln von der Klinge. »Du brauchst bessere Leute. Nebuchad ist ein guter Junge – aber er denkt zu schwerfällig. Und Jasua …« Mushran richtete den Blick an die Decke. »Ein großartiger Mörder, aber sein Hirn sitzt knapp über seinem …«
»Genug davon!« sagte Gorben liebenswürdig. »Wenn meine
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