Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
über die Armee erteilen und Dros Delnoch angreifen. Beängstigend!«
»Hast du überhaupt ein Hirn in deinem hübschen Kopf? Die Armee, von der du sprichst, zählt über fünfzigtausend Mann, von denen viele durch Kriege gegen Nadirstämme und durch Übergriffe der Sathuli kampferprobt sind. Hier in Gothir gibt es drei grundverschiedene Parteien. Eine von ihnen glaubt an das gottgegebene Recht der Gothir, die Welt zu erobern. Eine andere versucht, die Welt zu erobern, ohne sich um die Frage von göttlichem Recht zu scheren. Verstehst du? Aus Gründen, die nur sie selbst verstehen, haßt jede Partei die andere. Diese Nation steht ständig am Rande eines Bürgerkrieges. Aber solange sie gegeneinander kämpfen, brauchen die Drenai sich nicht um die erschreckenden Kosten zu sorgen, die die Abwehr einer Invasion bedeuten würden.«
»Kosten? Wir reden hier von Geld?«
»Natürlich reden wir von Geld«, sagte Majon mit wachsendem Zorn. »Die Mobilmachung, Ausbildung, neue Rüstungen, Schwerter, Brustplatten, Nahrung für die Rekruten. Und wo finden wir die Rekruten? Auf dem Land. Bauern und Tagelöhner. Wenn sie Soldaten sind, wer bringt dann die Ernten ein? Die Antwort ist, daß viele Felder unbestellt bleiben. Was passiert mit den Getreidepreisen? Sie klettern in schwindelnde Höhen. Und was hat man letztendlich erreicht? Die Festung hält, und die Männer gehen nach Hause und müssen feststellen, daß die Steuern erhöht wurden, um den Krieg bezahlen zu können. Fünfzigtausend ausgebildete Soldaten, die wütend auf die Regierung sind.«
»Du hast die Toten nicht erwähnt«, sagte Sieben leise.
»Ein guter Punkt. Die Bedrohung durch Krankheiten, die von den Leichen ausgeht, die Kosten der Beerdigungen. Dann die Krüppel, die ewig von der Wohlfahrt des Staates leben.«
»Ich glaube, du hast deinen Standpunkt deutlich gemacht, Botschafter«, warf Sieben ein. »Deine Menschlichkeit gereicht dir zur Ehre. Aber du hast drei Parteien erwähnt, bisher aber nur zwei beschrieben.«
»Zum Schluß ist da noch die Königliche Garde – zehntausend Mann, die Elite der Gothirarmee. Sie haben den Gottkönig nach der letzten Erhebung auf den Thron gesetzt – und sie halten ihn dort. Keine der anderen beiden Parteien ist mächtig genug, um den Sieg
ohne
die Unterstützung der Garde zu erringen. Daher der Stillstand, keine Seite kann sich rühren. Sollte diese Situation so bleiben, wäre das ideal.«
Sieben lachte. »Und inzwischen sitzt ein Verrückter auf dem Thron, dessen Herrschaft von Mord, Folter und erzwungenen Selbstmorden begleitet wird?«
»Das ist das Problem der Gothir, Sieben. Unsere Sorge gilt den Drenai, von denen etwa dreitausend im Lande Gothir leben und deren Leben verwirkt ist, wenn allgemeine Feindseligkeiten bekannt würden. Kaufleute, Arbeiter, Ärzte – ja, und Diplomaten. Ist ihr Leben denn ohne Bedeutung, Sieben?«
»Gut gesprochen, Majon«, sagte Sieben und klatschte Beifall. »Und jetzt kommen wir zu dem Pferdeapfel-Honigkuchen. Natürlich hat ihr Leben Bedeutung. Aber Druss ist nicht für sie verantwortlich, ebensowenig für die Taten eines Verrückten. Verstehst du nicht, Botschafter? Nichts, was du tun kannst – oder der Gottkönig –, wird das ändern. Druss ist nicht dumm, aber er sieht das Leben sehr klar. Er wird hinausgehen und mit Klay kämpfen, und er wird alles geben, um zu gewinnen. Nichts, was irgendjemand sagen kann, könnte ihn dazu bewegen, weniger zu tun. Überhaupt nichts. All deine Argumente hier wären sinnlos. Druss würde sagen, was der Gottkönig zu tun beliebt – oder auch nicht – geht nur sein eigenes Gewissen etwas an. Aber mehr noch, Druss würde sich aus einem viel einfacheren Grund weigern.«
»Und der wäre?«
»Es wäre nicht recht.«
»Du hast doch gesagt, er wäre intelligent!« fuhr Majon auf. »Recht, also wirklich. Was hat
Recht
damit zu tun? Wir haben es hier mit einem … sensiblen und … einzigartigen Herrscher …«
»Wir haben es mit einem Irren zu tun, der – wäre er nicht der König – zu seiner eigenen Sicherheit weggesperrt werden würde«, erwiderte Sieben.
Majon rieb sich die müden Augen. »Du verhöhnst die Politik«, sagte er leise. »Du verspottest die Diplomatie. Aber wie glaubst du, halten wir den Frieden auf der Welt? Ich will es dir sagen, Sieben. Männer wie ich reisen an Orte wie diese, und dann bekommen wir deine Pferdeapfel-Honigkuchen zu essen. Und wir lächeln und erklären, wie nahrhaft sie sind. Wir schieben uns zwischen
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