Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
vorläufig konzentrieren wir uns darauf.« Beide Männer verbeugten sich und gingen davon.
Klay drehte sich um und sah Druss. Er lächelte breit und kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. Er war einen Kopf größer als Druss und in den Schultern breiter. Sein Gesicht war flach, die Stirn- und Wangenknochen zeigten keine scharfen, vorspringenden Linien. Es war unwahrscheinlich, daß ein Schlag ihm die Haut über oder unter den Augen aufreißen würde, und sein Kinn war eckig und kraftvoll. Er hatte das Gesicht eines geborenen Kämpfers. Druss schüttelte ihm die Hand. »So sollte ein Trainingsgelände aussehen«, sagte Druss. »Es ist sehr schön. Gut durchdacht.«
Der Gothir-Kämpfer nickte. »Es gefällt mir, obwohl ich mir wünschte, es wäre größer. Kein Platz zum Speer- oder Diskuswerfen. Mein Trainer Shonan benutzt dafür ein Feld außerhalb. Komm, ich zeige dir unsere Einrichtungen.« Vier Masseure waren bei der Arbeit und kneteten und dehnten gekonnt die Muskeln ermüdeter Athleten. Es gab ein Badehaus mit zwei beheizten Becken, das hinter dem Trainingsgelände lag. Eine Zeitlang wanderten die beiden Männer über das Gelände, bis Klay schließlich Druss zurück ins Haus führte.
Die Wände in Klays Arbeitszimmer waren mit Zeichnungen und Gemälden der menschlichen Gestalt bedeckt und stellten Muskelstränge und ihre Verbindungen dar. Druss hatte so etwas noch nie gesehen. »Ein paar meiner Freunde sind Ärzte«, erklärte der Gothir-Kämpfer. »Das Sezieren von Toten und wie der menschliche Körper funktioniert, gehört zu ihrer Ausbildung. Ist es nicht faszinierend? Die meisten unserer Muskeln scheinen entgegenwirkend zu arbeiten. Damit der Bizeps anschwellen kann, muß sich der Trizeps entspannen und dehnen.«
»Und wieso hilft dir das?« fragte Druss.
»Dadurch kann ich das Gleichgewicht finden«, antwortete Klay. »Harmonie, wenn du so willst. Beide Muskeln sind notwendig füreinander. Es wäre also dumm, den einen auf Kosten des anderen zu entwickeln. Verstehst du?«
Druss nickte. »Ich hatte mal einen Freund in Mashrapur, einen Kämpfer namens Borcha. Er wäre bestimmt genauso beeindruckt wie ich.«
»Ich habe von ihm gehört. Er hat dich ausgebildet und dir geholfen, ein Champion zu werden. Nachdem du Mashrapur verlassen hattest, war er der erste Kämpfer in der Geschichte der Arena, der seine Meisterschaft zurückgewonnen hat. Er hat sich vor sechs Jahren zurückgezogen, nachdem er gegen Proseccis in einem fast zweistündigen Kampf unterlegen war.«
Ein Diener brachte einen Krug und füllte zwei Becher. »Erfrischend«, meinte Druss nach einem Schluck.
»Saft aus vier Früchten«, erklärte Klay. »Ich finde ihn sehr belebend.«
»Ich bevorzuge Wein.«
»Man sagt, Rotwein sei gut fürs Blut«, gab Klay zu, »aber ich fand immer, er behindert ein volles Training.« Ein Weilchen saßen die Männer schweigend beisammen, dann lehnte Klay sich zurück. »Du fragst dich, warum ich dich hierher eingeladen habe, nicht wahr?«
»Ich dachte zuerst, es sei ein Versuch, mich einzuschüchtern«, antwortete Druss. »Aber jetzt glaube ich das nicht mehr.«
»Das ist nett von dir. Ich wollte dich gern wissen lassen, wie entsetzt ich war, als ich von der Prophezeiung hörte. Es muß für dich sehr ärgerlich sein. Ich jedenfalls hasse es, wenn sich die Politik in einen ehrlichen Wettstreit einmischt. Deswegen wollte ich dich beruhigen.«
»Wie willst du das machen?«
»Indem ich dich überzeuge, daß du kämpfst um zu gewinnen. Dein Bestes zu geben.«
Druss lehnte sich zurück und sah den Gothir-Kämpfer scharf an. »Wie kommt es«, fragte er, »daß mein eigener Botschafter mich drängt, genau das Gegenteil zu tun? Möchtest du, daß dein König gedemütigt wird?«
Klay lachte. »Du verstehst mich falsch, Druss. Ich habe dich kämpfen sehen. Du bist sehr gut, und du hast Herz und Instinkt. Als ich Shonan fragte, wie er uns beide einschätzt sagte er, ›Wenn ich mein ganzes Geld auf einen Kämpfer setzen müßte, wärst du es, Klay. Aber wenn ich jemanden brauchte, der um mein Leben kämpft, dann wäre es Druss.‹ Ich bin arrogant mein Freund, aber diese Arroganz erwächst nicht aus falschem Stolz. Ich weiß, was ich bin, und ich weiß, was ich kann. In gewisser Weise, behauptet mein Arzt, bin ich eine Laune der Natur. Meine Kraft ist gewaltig, aber meine Schnelligkeit ist außergewöhnlich. Steh mal einen Moment auf.«
Druss erhob sich, und Klay stellte sich ihm auf Armeslänge gegenüber.
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