Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
»Ich zupfe dir jetzt ein Haar aus dem Bart, Druss. Ich möchte, daß du mich abwehrst wenn du kannst.« Druss machte sich bereit.
Klays Hand schoß vor und wieder zurück, und Druss spürte das Ziehen, als ihm ein paar Haare ausgerissen wurden. Sein eigener Arm hatte sich noch kaum bewegt. Klay setzte sich wieder. »Du kannst mich nicht besiegen, Druss. Das kann kein Mann. Deswegen mußt du dir um die Prophezeiung keine Gedanken machen.«
Druss lächelte. »Du gefällst mir, Klay«, sagte er, »und wenn es Gold zu gewinnen gäbe fürs Haare-Ausreißen, würdest du wohl gewinnen. Aber darüber sprechen wir nach dem Endkampf.«
»Du wirst also um den Sieg kämpfen?«
»Das tue ich immer, mein Freund.«
»Himmel, Druss, du bist ein Mann nach meinem Herzen. Niemals aufgeben, was? Nennt man dich deshalb die Legende?«
Druss schüttelte den Kopf. »Ich habe den Fehler begangen, mich mit einem Sagendichter anzufreunden. Jetzt erfindet er, wo ich auch hingehe, neue Geschichten, und jede ist noch ausgefallener als die vorigen. Was mich immer erstaunt, ist, daß man sie glaubt. Je mehr ich abstreite, desto verbreiteter ist der Glaube, daß es die Wahrheit ist.«
Klay führte Druss wieder hinaus aufs Übungsgelände. Die anderen Athleten waren inzwischen gegangen, aber Diener hatten Fackeln entzündet. »Ich kenne das Gefühl, Druss. Abstreiten gilt als Bescheidenheit. Und die Menschen glauben nun mal gern an Helden. Ich habe einmal während des Trainings die Geduld verloren und mit der flachen Hand gegen eine steinerne Statue geschlagen. Habe mir dabei drei Knochen gebrochen. Jetzt gibt es hundert Leute, die behaupten, daß die Wucht meines Schlages die Statue in tausend Stücke zerschmettert hätte. Und mindestens zwanzig weitere schwören, daß sie es mit eigenen Augen gesehen haben. Willst du zum Essen bei mir bleiben?«
Druss schüttelte den Kopf. »Ich bin auf dem Weg hierher an einer Taverne vorbeigekommen, aus der ein Bratenduft kam, der mich seitdem lockt.«
»Waren die Fenster des Lokals blau angestrichen?«
»Ja Kennst du es?«
»Es heißt
Das Zerbrochene Schwert
und hat den besten Koch von Gulgothir. Ich wünschte, ich könnte mit dir kommen, aber ich muß noch ein paar Dinge mit Shonan, meinem Trainer, besprechen.«
»Ich hätte mich über deine Gesellschaft gefreut. Sieben, mein Freund, hat eine Dame zu Besuch in unserer Wohnung und nicht den Wunsch, daß ich früh nach Hause komme. Vielleicht können wir morgen nach dem Finale gehen?«
»Das wäre schön.«
»Übrigens, du hast einen Gast. Einen kleinen Bengel, den ich draußen fand. Ich wäre dir dankbar, wenn du nett zu ihm wärst und ein, zwei Worte mit ihm sprichst.«
»Selbstverständlich. Ich wünsche dir Guten Appetit«
Kapitel drei
Keils leckte sich die Finger ab, dann riß er ein weiteres Stück von dem dunklen Brot und tunkte damit seine Fleischschüssel aus. Der alte Diener lachte leise. »Schon gut, mein Junge, wo das herkommt, gibt es noch mehr davon.« Er nahm den Topf vom Herd und füllte die Schale nach. Keils’ Freude war unverhohlen. Er packte seinen Löffel und nahm den Eintopf mit erneuter Kraft in Angriff. In wenigen Minuten war die Schüssel wieder leer. Er rülpste laut.
»Ich heiße Carmol«, sagte der alte Diener und streckte ihm die Hand entgegen.
Keils sah sie an, dann streckte er seine eigene schmutzige Hand aus. Carmol und er schüttelten sich die Hände. »Ich glaube, jetzt ist es an der Zeit, daß du mir deinen Namen nennst«, sagte er.
Keils sah dem alten Mann ins Gesicht. Es war von tiefen Linien durchzogen, vor allem um die Augen, die blau und fröhlich waren. »Warum?« Keils Ton war nicht unverschämt, es war lediglich eine unschuldige Frage.
»Warum? Nun, es gilt als höflich, wenn zwei Menschen zusammen essen. Außerdem beginnen so Freundschaften.« Der alte Mann war freundlich, und sein Lächeln war aufrichtig.
»Man nennt mich Flinker Finger«, antwortete Keils.
»Flinker Finger«, wiederholte Carmol. »Nennt deine Mutter dich auch so?«
»Nein, sie nennt mich Keils. Aber alle anderen nennen mich Flinker Finger. Der Eintopf war sehr gut. Und das Brot ist weich. Frisch. Ich habe schon einmal frisches Brot gegessen und weiß, wie es schmeckt.« Keils kletterte von der Bank und rülpste wieder. In der Küche war es warm und gemütlich, und es wäre schön, sich auf dem Fußboden neben dem Herd zusammenzurollen und zu schlafen. Aber das konnte er nicht, denn seine Aufgabe war noch nicht erfüllt.
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