Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
Körper und seinen Geist aus und ließ sich im Halbschlaf in der Wärme treiben.
Zwei Reiter kamen in Sicht. Der Schamane holte tief Luft und konzentrierte sich, wie er es getan hatte, als die Löwin an den Tümpel kam. Er war ein Felsen, ewig, unveränderlich, nur die Zeit konnte ihm mit ihren nagenden Winden etwas anhaben. Der führende Reiter, ein großer, schlanker junger Mann mit hellem Haar, in farbenfrohe Seide gekleidet, glitt geschmeidig aus dem Sattel, hielt dabei aber die Zügel fest, damit der graue Wallach nicht ans Wasser konnte. »Noch nicht, mein Schöner«, sagte er leise. »Erst müssen wir dich abkühlen.« Der zweite Reiter, der schwarzbärtige Axtkämpfer, hob sein Bein über den Sattelknauf und sprang ab. Sein Reittier war alt und völlig erschöpft. Druss legte seine Axt auf die Erde, schnallte den Sattel los und nahm ihn der Stute ab. Sie war schweißgebadet und atmete schwer. Er wischte sie mit einem Lappen ab und pflockte sie neben dem großen Wallach im Halbschatten auf der Ostseite des Tümpels an. Der Blonde ging zum Tümpel, streifte seine Kleider ab, schüttelte den Staub heraus und faltete sie ordentlich zusammen. Sein Körper war blaß wie Elfenbein, glatt und weich. Kein Krieger, dachte Nosta Khan, als der junge Mann ins Wasser glitt. Druss nahm seine Axt und ging in den Schatten, wo Nosta Khan saß. Er hockte sich nieder, schöpfte mit den Händen Wasser und trank, dann spritzte er sich Wasser auf das dichte dunkle Haar und in den Bart.
Nosta Khan schloß die Augen und versuchte, Druss’ Arm zu berühren, um seine Gedanken zu lesen. Ein eiserner Griff schloß sich um sein Handgelenk, und er riß die Augen auf. Druss sah ihn an.
»Ich habe auf dich gewartet«, sagte Nosta Khan, um Ruhe bemüht.
»Ich mag es nicht, wenn man sich anschleicht«, sagte der Axtkämpfer mit kalter Stimme. Nosta warf einen Blick auf das Wasser, und die Spannung wich von ihm. Sein Spruch des Verbergens hatte nicht versagt Druss hatte lediglich die Spiegelung seiner Hand auf dem Wasser gesehen. Druss ließ ihn los und trank noch einmal.
»Du suchst die Heilenden Juwelen, hm? Das ist gut. Ein Mann sollte seinen Freunden in ihren dunkelsten Stunden beistehen.«
»Wo genau sind sie?« fragte Druss. »Ich habe nicht viel Zeit. Klay liegt im Sterben.«
»Ich kann es dir nicht
genau
sagen. Sie wurden vor ein paar hundert Jahren von einem abtrünnigen Schamanen gestohlen. Er wurde verfolgt und machte beim Schrein von Oshikai Rast, wo man ihn fand und tötete. Trotz der schlimmsten Folter verriet er ihr Versteck nicht. Ich glaube nun, daß er sie beim Schrein versteckt hat.«
»Warum hast du sie dann nicht gesucht?«
»Weil ich mutmaße, daß sie im Grab von Oshikai Dämonstod sind. Kein Nadir darf diese heilige Stätte schänden. Nur ein … Fremder … könnte sie entweihen.«
»Wieviel verheimlichst du mir noch, kleiner Mann?«
»Ziemlich viel«, gestand Nosta. »Aber es gibt auch viel, das du nicht wissen mußt. Die einzige Wahrheit, die für dich von Wert ist, ist diese: Die Juwelen werden das Leben deines Freundes retten und ihm seine volle Gesundheit wiedergeben.«
Sieben tauchte aus dem Wasser auf und tappte über die heißen Steine zum Schatten. »Ach, du hast schon einen Freund gefunden, wie ich sehe«, sagte er, während er sich neben den Schamanen setzte. »Ich nehme an, das ist der alte Mann, der dich in der Taverne ansprach?« Druss nickte, und Sieben streckte eine Hand aus. »Ich bin Sieben. Ich bin der Dichter. Vielleicht hast du von mir gehört.«
»Ich habe nicht von dir gehört«, sagte Nosta, ohne die ausgestreckte Hand zu beachten.
»Was für ein Tiefschlag für meine Eitelkeit«, sagte Sieben mit einem Lächeln. »Gibt es bei den Nadir auch Dichter?«
»Wozu?« fragte der alte Mann.
»Kunst, Vergnügen, Unterhaltung …« Sieben zögerte, als er den Ausdruck blanker Verständnislosigkeit auf dem Gesicht des alten Mannes las. »Geschichte!« sagte er plötzlich. »Wie bewahrt ihr die Geschichte eures Stammes auf?«
»Jeder erfährt die Geschichte seines Stammes von seiner Mutter und die Geschichte seiner Familie von seinem Vater. Und der Schamane des Stammes kennt alle ihre Geschichten und die Taten eines jeden Nadirhelden.«
»Ihr habt keine Kunst, keine Bildhauer, Schauspieler, Maler?«
Nosta Khans kohlschwarze Augen funkelten. »Drei von fünf Nadirkindern sterben im Säuglingsalter. Das durchschnittliche Sterbealter bei den Männern liegt bei sechsundzwanzig. Wir leben in
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