Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
einem Zustand dauernden Krieges, der eine mit dem anderen, und inzwischen werden wir von den Edelleuten der Gothir aus sportlichen Gründen gejagt. Krankheiten, Pest, die ständige Bedrohung durch Trockenheit und Hunger – das sind Dinge, die die Nadir beschäftigen. Wir haben keine Zeit für
Kunst.«
Nosta Khan spie das letzte Wort aus, als ob es eine Beleidigung für seine Zunge wäre.
»Wie gräßlich langweilig«, sagte Sieben. »Ich habe nie Mitleid mit deinem Volk gehabt – bis jetzt. Entschuldige mich, ich gehe die Pferde tränken.«
Sieben stand auf und zog sich an. Nosta Khan schluckte seinen Ärger hinunter und wandte sich wieder Druss zu. »Gibt es in den Südlanden viele wie ihn?«
Druss lächelte. »Es gibt nirgendwo viele wie ihn.« Er griff in seinen Rucksack und holte einen runden, in Tuch gewickelten Käse und etwas Trockenfleisch heraus. Er bot Nosta Khan etwas davon an, der jedoch ablehnte. Druss aß schweigend. Sieben kam wieder und schloß sich ihm an. Als sie ihre Mahlzeit beendet hatten, gähnte Druss und streckte sich im Schatten aus. Wenige Augenblicke später war er eingeschlafen.
»Warum reist du mit ihm?« fragte Nosta Khan Sieben.
»Aus Abenteuerlust, altes Haus. Wo Druss auch hingeht, findet man sicher ein Abenteuer. Und mir gefällt die Vorstellung von magischen Juwelen. Potential für ein Lied oder eine Geschichte.«
»Darüber sind wir uns einig«, sagte Nosta Khan. »Im Moment werden gerade zweitausend Gothirkrieger aufgestellt. Unter der Führung von Gargan, dem Grafen von Larness, werden sie zum Schrein von Oshikai Dämonstod marschieren und ihn belagern, mit der Absicht jeden, der dort ist, zu töten, um die Juwelen dem Wahnsinnigen, der auf dem Thron sitzt, als Geschenk zu bringen. Ihr reitet in das Auge des Zyklons, Dichter. Ja, ich bin sicher, das hat Potential genug für ein Lied.«
Nosta genoß die Angst, die sich in den sanften Augen des jungen Mannes zeigte. Er streckte seine hagere Gestalt, erhob sich und wanderte vom Tümpel fort. Alles lief, wie er es geplant hatte, doch trotzdem fühlte Nosta sich unbehaglich. Konnte Talisman die Nadirtruppen zusammenrufen, um sich Larness entgegenzustellen? Konnte er die Augen von Alchazzar finden? Nosta schloß die Augen und ließ seinen Geist nach Osten fliegen, hoch über die Berge und ausgetrockneten Täler. Weit unten sah er den Schrein, dessen gerundete weiße Mauern schimmerten wie ein riesiger Ring aus Elfenbein. Dahinter standen die Zelte der Nadirwächter. Wo bist du, Talisman? fragte er sich.
Er konzentrierte sich auf das Gesicht des jungen Mannes und ließ seinen Geist sinken, angezogen von Talismans Persönlichkeit. Als Nosta Khan seine Geist-Augen aufschlug, sah er, wie der junge Nadirkrieger den letzten Kamm vor dem Tal erreichte. Hinter ihm kam die Chiatzefrau, Zhusai. Dann kam ein dritter Reiter in Sicht, der zwei Ponys führte. Nosta war überrascht. Er schwebte über den Fremden und berührte mit seinen Geist-Fingern den Hals des Mannes. Der Reiter erschauderte und zog den schweren Umhang dichter um seine kräftige Gestalt.
Zufrieden zog Nosta sich zurück. In dieser einen Sekunde des Kontaktes war er Zeuge des versuchten Angriffs auf Talisman und das Mädchen geworden und der Bekehrung Gorkais zur Sache des Einigers. Es war gut, der Junge hatte seine Sache gut gemacht. Die Götter von Stein und Wasser würden zufrieden sein.
Nosta flog weiter und hielt über dem Schrein inne. Ursprünglich war es ein kleines Versorgungsfort gewesen, dessen Mauern zwar hölzerne Brustwehren, aber keine Türme besaßen. Kaum sieben Meter hoch, waren sie gebaut worden, um marodierende Stammeskrieger fernzuhalten – nicht zweitausend ausgebildete Soldaten. Das Westtor verrottete in seinen bronzenen Angeln, während die Westmauer in der Mitte eingefallen war, so daß unter einer V-förmigen Lücke ein Haufen Geröll lag.
Die Angst packte Nosta Khan mit kalten Fingern.
Konnten sie gegen die Truppen der Gothir aushalten?
Und was war mit Druss? Welche Rolle würde der Axtmann spielen? Es war ärgerlich, so viel zu sehen und doch so wenig zu wissen. War es seine Bestimmung, mit der Axt in der Hand auf diesen Mauern zu stehen? In diesem Augenblick zuckte eine flüchtige Vision durch seine Gedanken: ein weißhaariger Krieger auf einer gewaltigen Mauer, die Axt trotzig in die Höhe gereckt. So plötzlich, wie sie gekommen war, war sie auch wieder verblaßt.
Nosta Khan kehrte in seinen Körper zurück und tat einen tiefen,
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