Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
Sieben wickelte sich in seine Decke und barg sich tief in die Schatten der Felswand. Nie wieder, dachte er. Von jetzt an werde ich die Langeweile mit offenen Armen begrüßen und sie fest an mich drücken!
Was hatte Druss noch über Klay gesagt?
Er erinnert mich an einen Mann, den ich niemals kennenlernte.
Plötzlich verstand Sieben. Druss sprach von Michanek, dem Mann, der Rowena damals in Ventria geliebt und geheiratet hatte. Wie Druss war auch Michanek ein mächtiger Krieger und ein Champion unter den Rebellen gegen Prinz Gorben gewesen. Und Rowena, ihres Gedächtnisses beraubt, hatte begonnen ihn zu lieben, hatte sogar versucht, Selbstmord zu begehen, als sie von seinem Tod erfuhr. Druss war dabeigewesen, als Michanek der Elite von Gorbens Unsterblichen gegenüberstand. Allein hatte er viele getötet, bis letztlich selbst Michaneks gewaltige Kraft ihn verlassen hatte, aus zahlreichen Wunden Blut aus seinem Körper strömte. Als er starb, bat er Druss, für Rowena zu sorgen.
Einmal, als Sieben Druss und seine Frau auf ihrem Hof in den Bergen besuchte, war er mit Rowena über die Hochweiden gewandert. Er hatte sie damals nach Michanek gefragt, und sie hatte liebevoll gelächelt. »In vieler Hinsicht war er wie Druss, aber er war auch sanft und freundlich. Ich liebte ihn, Sieben, und ich weiß, daß Druss kaum ertragen kann, das zu hören. Aber sie haben mir meine Erinnerungen genommen. Ich wußte nicht, wer ich war, und ich erinnerte mich überhaupt nicht an Druss. Alles, was ich wußte, war, daß dieser riesige Mann mich liebte und für mich sorgte. Und es macht mich noch immer traurig zu wissen, daß Druss an seinem Tod beteiligt war.«
»Er kannte Michanek nicht«, sagte Sieben. »Alles, wovon er in diesen langen Jahren träumte, war, dich zu finden und nach Hause zu bringen.«
»Ich weiß.«
»Wenn du die Wahl hättest zwischen den beiden Männern, wen hättest du genommen?« fragte Sieben plötzlich.
»Das ist eine Frage, die ich mir niemals stelle«, antwortete sie. »Ich weiß nur, daß ich Glück hatte, von beiden geliebt zu werden und beide zu lieben.«
Sieben wollte noch mehr wissen, aber sie versiegelte seinen Redefluß mit einem Finger auf die Lippen. »Genug, Dichter! Laß uns zurück zum Haus gehen.«
Ein kalter Wind blies jetzt am Tümpel, und Sieben zog seinen Umhang fester um sich. Es war völlig still, bis auf den Wind, der durch die Felsen pfiff, und Sieben fühlte sich schrecklich allein. Die Zeit verging quälend langsam, und der Dichter döste mehrmals ein, um jedesmal mit einem Ruck zu erwachen, erfüllt von der Angst daß sich Nadir anschleichen könnten, um ihn zu ermorden.
Kurz vor Morgengrauen, als der Himmel allmählich heller wurde, hörte er Hufgeklapper auf Stein. Hastig zog er eins seiner Messer, ließ es fallen, hob es wieder auf und wartete. Druss kam in Sicht und führte vier Ponys am Zügel. Sieben ging ihm entgegen. Auf Druss’ Wams und Hosen war Blut. »Bist du verletzt?« fragte Sieben.
»Nein, Dichter. Der Weg ist jetzt frei – und wir haben vier Ponys zum Tauschen.«
»Zwei der Nadir sind entkommen?«
Druss schüttelte den Kopf. »Nicht die Nadir, aber zwei der Ponys haben sich losgerissen und sind auf und davon.«
»Du hast alle sechs getötet?«
»Fünf. Einer stürzte sich bei der Verfolgung zu Tode. Und jetzt laß uns aufbrechen.«
Kapitel sechs
Kurz vor Mitternacht betrat Talisman das Grab von Oshikai Dämonstod. Wahrend Gorkai draußen vor der Tür Wache stand, schlich sich der Nadirkrieger hinein und legte vier kleine Beutel vor dem Sarg auf den Boden. Aus dem ersten schüttete er ein wenig rotes Pulver, das er mit dem Zeigefinger zu einem Kreis verstrich, nicht größer als seine Handfläche. Der Mond, der schwach durch das offene Fenster schien, erleichterte seine Aufgabe. Aus dem zweiten Beutel nahm er drei längliche, getrocknete Blätter, die er zu einer Kugel rollte und in den Mund unter die Zunge steckte. Sie waren bitter, und er fing beinahe an zu würgen. Aus der Tasche seiner Ziegenledertunika nahm er eine Zunderschachtel, strich eine Flamme an und hielt sie an das rote Pulver, das augenblicklich dunkelrot aufflammte. Rauch stieg auf. Talisman atmete ihn ein, dann schluckte er die Blätterkugel hinunter.
Er fühlte sich leicht, schwindlig, und wie aus großer Entfernung hörte er leise Musik, dann ein Seufzen. Sein Blick verschwamm, dann wurde er wieder klar. An den Wänden des Schreins flackerten Lichter, die seine Augen tränen ließen.
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