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Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar

Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar

Titel: Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Verständnis hinausgeht. Du wirst schon sehen. Hier an diesem Ort wird der Kreis sich schließen.«
    Der Priester trug den Eimer zu einem Tisch und begann, langsam mit einer Schöpfkelle irdene Wassertöpfe zu füllen, die an dünnen Seilen von den Balken der Veranda hingen. Talisman ging zum Tisch und setzte sich. »Was sind das für Geschichten, die du schreibst?« fragte er.
    »Vor allem über die Chiatze und die Nadir. Aber das Leben Oshikais fasziniert mich immer mehr. Kennst du den Ursprung des Namens
Nadir

    Talisman zuckte die Achseln. »In der Südsprache bedeutet es den Punkt der größten Hoffnungslosigkeit.«
    »Auf chiatze bedeutet es die Wegkreuzung des Todes«, sagte der Priester. »Als Oshikai sein Volk aus dem Land Chiatze führte, folgte ihnen eine große Armee, die auslöschen wollte, was in ihren Augen eine Rebellenarmee war. Er stellte sich ihnen auf der Ebene von Chu-chien und vernichtete sie. Aber zwei weitere Armeen kesselten ihn ein, und er war gezwungen, sein Volk über die Eisberge zu führen. Hunderte starben, viele verloren Finger und Zehen, Arme und Beine durch die schreckliche Kälte. Als sie die gefrorenen Pässe hinter sich hatten, gerieten sie in die entsetzliche Salzwüste dahinter. Die Verzweiflung war grenzenlos. Oshikai berief eine Ratsversammlung ein. Er nannte sie ein Volk, das aus Härte und Gefahren geboren war, und daß sie jetzt ihren Nadir erreicht hätten. Von diesem Augenblick an besaßen sie ihren neuen Namen. Dann sprach er zu der Menge und sagte, daß Shul-sen ihnen den Weg zum Wasser weisen würde und daß hinter der Salzwüste ein verheißungsvolles Land läge. Er sprach von einem Traum, in dem die Nadir sich vermehrten und gediehen, vom schimmernden Meer bis zu schneebedeckten Gipfeln. Und da gab er ihnen den Vers, den alle Nadirkinder schon mit der Muttermilch einsaugen:
     
    ›Nadir sind wir
    der Jugend geboren
    Äxteschwinger
    Blutvergießer
    doch Sieger sind wir.‹«
     
    »Was geschah mit Shul-sen?« fragte Talisman. Der Priester lächelte, stellte wieder seinen Eimer ab und setzte sich an den Tisch.
    »Darüber gibt es so viele Geschichten, die meisten stark ausgeschmückt, viele reine Phantasie, andere so befrachtet mit mystischem Symbolismus, daß sie völlig sinnlos sind. Die Wahrheit, fürchte ich, ist weit irdischer. Ich glaube, daß sie von Oshikais Feinden gefangengenommen und erschlagen wurde.«
    »Wenn es so wäre, dann hätte er sie gefunden.«
    »Wer hätte sie gefunden?«
    »Oshikai. Sein Geist sucht seit Jahrhunderten nach ihr, aber er hat sie nie gefunden. Wie kann das sein?«
    »Ich weiß es nicht«, gab der Priester zu, »aber ich werde darüber nachdenken. Wie kommt es, daß du über diese Dinge Bescheid weißt?«
    »Nimm einfach hin, daß ich es weiß«, antwortete Talisman.
    »Wir Nadir sind ein geheimniskrämerisches Volk, aber auch neugierig«, sagte der Priester lächelnd. »Ich werde zu meinen Studien zurückkehren und über die Frage nachdenken, die du mir gestellt hast.«
    »Du behauptest, du kannst die vielen Pfade der Zukunft wandeln«, sagte Talisman. »Wieso kannst du dann nicht den einzelnen Pfad in die Vergangenheit gehen und selbst nachschauen?«
    »Eine gute Frage, junger Mann. Die Antwort ist einfach. Ein wahrer Geschichtsschreiber muß objektiv bleiben. Jeder, der Zeuge eines großen Ereignisses wird, bildet sich sofort eine subjektive Meinung dazu, denn es hat Einfluß auf ihn. Ja, ich könnte zurückgehen und beobachten. Aber ich werde es nicht tun.«
    »Deine Logik hinkt Priester. Wenn der Geschichtsschreiber Ereignisse nicht beobachten kann, muß er sich auf das Zeugnis anderer verlassen, die – nach deinen eigenen Worten – wieder nur ein subjektives Bild vermitteln können.«
    Der Priester lachte laut auf und klatschte in die Hände. »Ach, mein Junge! Wenn wir nur mehr Zeit hätten, miteinander zu reden. Wir könnten über den verdeckten Trugschluß bei der Suche nach der Nächstenliebe debattieren oder über den Mangel an Beweisen für die Nicht-Existenz eines Höheren Wesens.« Sein Lächeln verblaßte. »Aber wir haben keine Zeit.«
    Der Priester brachte den Eimer zum Brunnen zurück und ging davon. Talisman lehnte sich zurück und sah zu, wie die Sonne majestätisch über den Bergen im Osten aufging.
     
    Quing-chin trat aus seinem Zelt in den Sonnenschein hinaus. Er war ein großer Mann mit tiefliegenden Augen und einem ernsten Gesicht. Er genoß die Wärme der Sonne auf seiner Haut. Er hatte traumlos

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