Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar

Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar

Titel: Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
Vom Netzwerk:
Zhen-shi zurück, dem Jungen mit den verängstigten Augen und dem nervösen Lächeln. Gequält und mißhandelt, war er um die Gothirkadetten herumgeschwänzelt, vor allem um Argo, und hatte sie bedient wie ein Sklave. »Grinseaffe«, hatte Argo ihn genannt, und Lin-tse hatte den Jungen für seine Feigheit verachtet. Zhen-shi hatte nur wenige Narben, aber er war auch genau der Barbar, den die Gothir erwarteten – unterwürfig und den zivilisierten Völkern unterlegen.
    Doch er hatte einen Fehler gemacht – und der hatte ihn das Leben gekostet. Bei den Prüfungen am Jahresende hatte er besser abgeschnitten als alle anderen – bis auf Okai. Lin-tse sah immer noch den Ausdruck auf Zhen-shis Gesicht, als die Noten bekanntgegeben wurden. Zuerst freute er sich offensichtlich, aber dann, nach einem Blick auf Argo und die anderen, dämmerte ihm das ganze verheerende Ausmaß seiner unglücklichen Lage. Grinseaffe hatte sie alle geschlagen. Sie sahen in ihm nicht länger den Gegenstand ihres Hohns oder ihrer Verachtung. Jetzt war er eine verhaßte Gestalt. Der kleine Zhen-shi war unter ihren bösen Blicken in sich zusammengesunken.
    In dieser Nacht war Zhen-shi vom Dach gesprungen, sein Körper wurde auf den schneebedeckten Steinen im Hof zerschmettert.
    Es war Winter gewesen, eine rauhe und kalte Nacht, in der sich Eis innen an den Fensterscheiben bildete. Doch Zhen-shi hatte nur einen Lendenschurz getragen. Als Lin-tse seinen Schrei beim Fallen hörte, hatte er aus dem Fenster geschaut und den mageren Körper blutend im Schnee liegen sehen. Okai und er waren mit etlichen anderen Jungen hinausgerannt und hatten sich um den Toten geschart. Der Körper trug die roten Striemen einer Peitsche auf Rücken, Hinterteil und Schenkeln. Die Handgelenke waren ebenfalls blutig.
    »Sie haben ihn gefesselt«, preßte Lin-tse zwischen den Zähnen hervor. Okai antwortete nicht, er starrte hinauf zu dem Giebel, von dem Zhen-shi gefallen war. Die Zimmer auf dieser obersten Etage waren für die Seniorkadetten aus vornehmen Familien reserviert. Aber das nächstgelegene Fenster war das von Argo. Lin-tse folgte Okais Blick. Der blonde Sohn von Gargan lehnte auf seiner Fensterbank und betrachtete mit mildem Interesse das Schauspiel unten.
    »Hast du gesehen, was passiert ist, Argo?« rief jemand.
    »Der kleine Affe hat versucht, aufs Dach zu klettern. Ich glaube, er war betrunken.« Damit lehnte er sich zurück und schloß krachend sein Fenster.
    Okai drehte sich zu Lin-tse um, und die beiden Knaben gingen zurück in ihr Zimmer. Dalsh-chin wartete auf sie. Drinnen hockten sie sich auf den Boden und sprachen leise auf nadir miteinander.
    »Argo hat nach Zhen-shi geschickt«, flüsterte Dalsh-chin, »und zwar vor drei Stunden.«
    »Man hat ihn gefesselt und geschlagen«, sagte Okai. »Er konnte Schmerzen nicht ertragen, daher müssen sie ihn auch geknebelt haben. Sonst hätten wir seine Schreie gehört. Es wird eine Untersuchung geben.«
    »Dabei werden sie feststellen«, meinte Lin-tse, »daß Grinseaffe zur Feier seines Erfolges zuviel Alkohol getrunken hatte und vom Dach fiel. Eine willkommene Lektion, daß Barbaren keine starken Getränke vertragen.«
    »Wohl wahr, mein Freund«, sagte Okai. »Aber wir werden sie leiden lassen – so wie Zhen-shi gelitten hat.«
    »Ein schöner Gedanke«, sagte Lin-tse. »Und wie willst du dieses Wunder vollbringen?«
    Okai schwieg eine Weile. Lin-tse würde nie vergessen, was dann folgte. Okais Stimme wurde noch leiser: »Der Wiederaufbau am Nordturm ist noch nicht beendet. Die Arbeiter kommen in den nächsten drei Tagen nicht wieder. Die Baustelle ist verlassen. Morgen Nacht warten wir, bis alles schläft, dann gehen wir dorthin und bereiten unsere Rache vor.«
     
    Gargan, der Graf von Larness, nahm seinen Helm ab und sog in tiefen Zügen die heiße Wüstenluft ein. Die Sonne brannte hernieder und ließ die Luft über der Steppe flimmern. Er drehte sich im Sattel um und warf einen Blick auf die Truppe. Tausend Lanzenreiter, achthundert Gardisten der Infanterie und zweihundert Bogenschützen zogen langsam in einer Linie daher, eingehüllt von einer Staubwolke. Gargan zerrte an den Zügeln und trabte zurück, an Wasserkarren und Proviantwagen vorbei. Zwei seiner Offiziere schlossen sich ihm an, und gemeinsam ritten sie auf den Kamm eines niedrigen Hügels, wo Gargan anhielt und prüfend die Landschaft musterte.
    »Bei dem Kamm dort drüben schlagen wir unser Lager auf«, sagte Gargan und deutete auf einen

Weitere Kostenlose Bücher