Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
sein.«
Gargan blinzelte. Okai trat mit ausgestreckter Hand vor. Gargan starrte ihn an, dann blickte er auf den Säbel in seiner zitternden Hand. Plötzlich hielt er Fanion den Säbel hin. »Gib du ihm das verdammte Ding!« zischte er. Damit ging er von der Bühne.
Der ältere Lehrer lächelte Okai an. »Du hast es dir wohl verdient, junger Mann«, sagte er, sodaß seine Stimme überall im Saal zu hören war. »Fünf Jahre lang hast du viel erduldet, sowohl körperliche Härten als auch emotionale Grausamkeit. Was es auch wert sein mag – und ich hoffe, es ist etwas wert – du hast meine Achtung und meine Bewunderung. Ich hoffe, wenn du hier fortgehst, wirst du auch ein paar angenehme Erinnerungen mitnehmen. Möchtest du deinen Mitschülern ein paar Worte sagen?«
Okai nickte. Er trat vor und ließ seinen Blick über die versammelten Kadetten schweifen. »Ich habe hier viel gelernt«, sagte er. »Und eines Tages werde ich dieses Wissen gut nutzen.« Ohne ein weiteres Wort verließ er die Bühne und den Saal.
Fanion folgte ihm von der Bühne und ging zu Premian. »Ich werde deinetwegen Einspruch erheben und deine Arbeiten noch einmal begutachten lassen.«
»Danke. Für alles. Du hattest recht mit den Scheiben. Ich sah, daß Jashins Finger schon geschlossen waren, als er die Hand in den Beutel steckte, er hatte schon eine Scheibe für Okai in der Hand.«
»Jashin wird ernsthaften Ärger bekommen«, sagte Fanion. »Graf Gargan verzeiht nichts.«
Später an jenem Tag wurde Premian in Gargans Arbeitszimmer gerufen. Der General trug noch immer seine Rüstung, sein Gesicht war grau. »Setz dich, mein Junge«, sagte er. Premian gehorchte. »Ich werde dir eine Frage stellen, und ich vertraue auf deine Ehre, daß du sie wahrheitsgemäß beantwortest.«
»Jawohl, General«, antwortete Premian. Sein Herz sank.
»Ist Okai ein Freund von dir?«
»Nein, General. Wir sprechen kaum miteinander, wir haben wenig gemeinsam. Warum fragst du?«
Einen langen Augenblick starrte Gargan ihn an, dann seufzte er. »Spielt keine Rolle. Es hat mir das Herz gebrochen zu sehen, wie er den Säbel nahm. Aber das interessiert dich nicht. Ich habe dich hergerufen, um dir zu sagen, daß es bei der Benotung einen Irrtum gegeben hat. Du hast mit Auszeichnung bestanden.«
»Danke schön. Wie … ist das passiert?«
»Es war ein dummes Mißgeschick, und ich hoffe, du nimmst meine aufrichtige Entschuldigung dafür an.«
»Selbstverständlich. Danke, General.«
Premian hatte das Arbeitszimmer verlassen und war in sein eigenes Zimmer zurückgekehrt, wo er um Mitternacht durch ein Klopfen an der Tür geweckt wurde. Er stand auf und schob den Riegel zurück. Okai stand vor der Tür, der Nadir war reisefertig angezogen. »Du reist ab? Aber die Preisverleihung ist erst morgen.«
»Ich habe meinen Säbel«, sagte Okai. »Ich komme, um dir zu danken. Ich dachte, Ehre sei bei allen Gothir nur Lug und Trug. Ich habe mich geirrt.«
»Du hast hier gelitten, Okai, aber du bist triumphierend daraus hervorgegangen, und ich bewundere dich dafür. Wo willst du jetzt hingehen?«
»Zurück zu meinem Stamm.«
Premian streckte die Hand aus, und Okai schüttelte sie. Als der Nadir sich abwandte, sagte Premian: »Hast du etwas dagegen, wenn ich dich etwas frage?«
»Überhaupt nicht.«
»Als wir bei der Beerdigung deines Freundes Zhenshi waren, hast du den Sarg geöffnet und ihm ein kleines Päckchen in die Hand gedrückt. Es war Blut daran. Ich habe mich oft gefragt, was es war. Gehört das zu einem Ritual der Nadir?«
»Ja«, sagte Okai. »Ich habe ihm einen Diener fürs nächste Leben gegeben.«
Damit ging Okai davon.
Drei Tage später, nach ständigen Beschwerden über schlechten Geruch, der von einer Mauer im neuen Abschnitt des Nordturms ausging, gruben Arbeiter einige Steinblöcke aus. Darunter fanden sie eine verwesende Leiche, der die Augen herausgeschnitten worden waren.
Kapitel sieben
Nuang Xuan war ein schlauer alter Fuchs, und er hätte seine Leute niemals in Knochenbrecher-Gebiet gebracht, hätte das Schicksal nicht aufgehört, auf ihn herabzulächeln. Er beschattete die Augen und musterte die Umgebung. Bei den Felssäulen im Westen hielt er inne. Sein Neffe Meng ritt an seine Seite. »Sind das die Türme der Verdammten?« fragte er sehr leise, um nicht die dort wohnenden Geister auf sich aufmerksam zu machen.
»Allerdings«, antwortete Nuang, »aber wir werden nicht so nahe herankommen, daß die Dämonen uns etwas antun könnten.« Der
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