Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
Junge riß sein Pony herum und galoppierte zurück zu dem kleinen Konvoi. Nuangs Blick folgte ihm. Vierzehn Krieger, zweiundfünfzig Frauen und einunddreißig Kinder: keine große Truppe, um damit in solch ein Land zu reisen. Aber wer hätte auch annehmen können, daß sich eine Kavallerietruppe der Gothir so nah bei den Mondbergen aufhalten würde? Als Nuang den Überfall auf die Gothirschen Bauern in den Marschen angeführt hatte, um Pferde und Ziegen zu rauben, hatte er das in dem Wissen getan, daß seit fünf Jahren dort keine Soldaten mehr stationiert waren. Er hatte noch Glück gehabt, daß er mit vierzehn Männern entkommen war, als die Lanzenreiter angriffen. Mehr als zwanzig seiner Krieger waren bei diesem ersten Angriff niedergemacht worden, darunter zwei seiner Söhne und drei Neffen. Da die verfluchten
gajin
seiner Spur folgten, war ihm nichts anderes übriggeblieben, als die Reste seines Volkes in dieses elende Land zu führen.
Nuang ließ sein Pony in Galopp fallen und ritt höher hinauf. Er blinzelte gegen die Morgensonne und warf einen prüfenden Blick zurück Von den Lanzenreitern keine Spur. Vielleicht hatten sie auch Angst vor den Knochenbrechern. Aber warum waren sie so nahe bei den Marschen gewesen? Keine Truppe der Gothir drang jemals in das flache östliche Land ein, es sei denn in Kriegszeiten. Lagen sie mit jemandem im Krieg? Vielleicht mit den Wolfsschädeln oder den Grünaffen? Nein, das hätte er sicherlich von reisenden Kaufleuten und Händlern erfahren.
Es war ein Rätsel, und Nuang mochte keine Rätsel. Wieder warf er einen Blick auf seine kleine Gesellschaft – jetzt war sie zu klein, um aus seinem Clan einen richtigen Stamm zu machen. Ich muß sie wieder nach Norden führen, dachte er. Er räusperte sich und spie aus. Wie würden sie lachen, wenn Nuang darum bettelte, wieder im Stammesgebiet aufgenommen zu werden. Nuang Ohne-Glück würden sie ihn nennen.
Meng und zwei der anderen jungen Männer kamen auf die Anhöhe galoppiert. Meng kam zuerst an. »Reiter«, sagte er und deutete nach Westen.
»Gajin,
zwei von ihnen. Können wir sie töten, Onkel?« Der Junge war aufgeregt, seine dunklen Augen glänzten.
Nuang blickte in die Richtung, in die Meng zeigte. Auf diese Entfernung und bei dem Hitzeflimmern konnte er die Reiter kaum ausmachen, und nur für einen Augenblick beneidete er die Jugend um ihre Augen. »Nein, wir greifen noch nicht an. Vielleicht sind es Späher einer größeren Truppe. Laßt sie erst näher kommen.«
Damit ritt er wieder hinab ins flache Gelände, seine vierzehn Krieger ritten in einer weitgefächerten Schlachtreihe neben ihm. Er rief Meng zu sich und sagte: »Was siehst du, Junge?«
»Immer noch nur zwei, Onkel.
Gajin.
Einer hat einen Bart und trägt einen runden, schwarzen Helm und ein schwarzes Wams mit Silberbeschlägen an der Schulter, der andere hat helle Haare und kein Schwert. Er hat Messerscheiden an der Brust hängen. Ah!«
»Was ist?«
»Der mit dem schwarzen Bart trägt eine große Axt mit zwei schimmernden Klingen. Sie reiten Gothirpferde, aber sie führen vier gesattelte Ponys am Zügel.«
»Das sehe ich jetzt selbst«, sagte Nuang gereizt. »Geh wieder nach hinten.«
»Ich will meinen Teil am Töten, Onkel!«
»Du bist noch nicht mal zwölf und wirst mir gehorchen, oder du spürst die Peitsche auf deinem Hintern!«
»Ich bin fast dreizehn«, widersprach Meng, nahm jedoch widerwillig die Zügel und lenkte sein Pony zurück zum Rest der Gruppe. Nuang Xuan wartete, seine knorrige Hand ruhte auf dem Elfenbeingriff seines Säbels. Langsam kamen die beiden Reiter näher, bis Nuang ihre Züge deutlich erkennen konnte. Der hellhaarige
gajin
war sehr blaß, sein Verhalten verriet Nervosität und Angst, seine Hände hielten die Zügel fest umklammert, er saß steif im Sattel. Nuang betrachtete den Axtkämpfer. Nichts an ihm verriet Angst. Trotzdem, ein Mann und ein Feigling gegen vierzehn? Sicherlich hatte Nuangs Glück sich jetzt gewendet! Die Reiter hielten kurz vor der Gruppe an, und Nuang holte tief Luft, bereit, seinen Männern den Angriff zu befehlen. Dabei sah er den Axtkämpfer an und stellte fest, daß er in die kältesten Augen blickte, die er je gesehen hatte – sie hatten die Farbe von Gewitterwolken im Winter, grau und unnachgiebig. Ein nagender Zweifel durchfuhr ihn, und er dachte an seine verbliebenen Söhne und Neffen, von denen viele bereits verwundet waren, wie man an ihren blutigen Verbänden erkennen konnte. Die Spannung
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