Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
Zeltes angeboten, aber Druss hatte abgelehnt, da er lieber im Freien schlief.
Er nahm seine Axt, den Helm und die silberbeschlagenen Handschuhe, stand auf und reckte sich. Die Nacht war kalt, und ein kühler Wind strich unter den Windschutzplanen her, die zwischen den Zelten gespannt waren. Druss fühlte sich unbehaglich. Er setzte den Helm auf, zog die Handschuhe an und schlenderte lautlos durch das Lager. Dann schlüpfte er unter einem Windschutz hindurch auf die offene Steppe. Ein Wächter saß neben einem Kreosotbusch, einen Ziegenfellumhang um sich gewickelt. Als Druss näher kam, sah er, daß es der schlanke Knabe Meng war, den Nuang ihm als seinen jüngsten Neffen vorgestellt hatte. Der Junge sah auf, sagte aber nichts.
»Alles ruhig?« fragte Druss. Der Junge nickte, sein Unbehagen war offensichtlich.
Druss wanderte weiter zu den Türmen aus schwarzem Fels und setzte sich knapp fünfzig Meter von dem Jungen entfernt auf einen Stein. Am Tage war die Steppe heiß und unwirtlich, aber der kalte Zauber der Nacht verlieh dem Land eine drohende Feindseligkeit, die von namenlosen Schrecken sprach, die in den Schatten der Felsen lauerten. Die Augen spielten dem Verstand Streiche. Aus krummen Felsen wurden kauernde Dämonen, die sich zu bewegen schienen, und der Wind, der über die Steppe fauchte, wurde zu einer schlangengleichen Stimme, die Schmerz und Tod verhieß. Druss war für diesen Mondzauber nicht unempfänglich. Er verdrängte solche Gedanken, blickte zum Mond empor und dachte an Rowena, daheim auf ihrem Hof. Er hatte in den Jahren seit ihrer Rettung so sehr versucht, ihr das Gefühl zu geben, geliebt und gebraucht zu werden. Aber tief in seinem Innern nagte ein Schmerz, der nicht zu versiegen schien. Sie hatte den Krieger Michanek geliebt, und er hatte sie geliebt. Es war nicht Eifersucht, die Druss weh tat, es war ein tiefes Gefühl der Scham. Als die Räuber sie vor so vielen Jahren entführt hatten, hatte Druss sich aufgemacht, um sie zu finden, mit einer zielstrebigen Entschlossenheit, die keinen Widerspruch duldete. Er war nach Mashrapur gereist, und um genug Geld für seine Überfahrt nach Ventria zu verdienen, war er dort zum Faustkämpfer geworden. Danach hatte er das Meer überquert, hatte mit Korsaren und Piraten gekämpft. Er hatte sich der demoralisierten Armee von Prinz Gorben angeschlossen und wurde dessen Champion. Alles, um Rowena zu finden und sie aus einem – wie er es sah – demütigenden Leben der Sklaverei zu erretten.
Doch schließlich hatte er die Wahrheit erfahren. Sie hatte das Gedächtnis verloren und sich in Michanek verliebt. Sie war eine geachtete und geliebte Ehefrau, die im Luxus lebte, glücklich und zufrieden. Doch obwohl er dies wußte, hatte Druss mit den Soldaten gekämpft, die die Stadt zerstörten, in der sie lebte, und den Mann erschlugen, den sie liebte.
Druss hatte beobachtet, wie sich Michanek gegen die besten der Unsterblichen stellte, hatte gesehen, wie sie voller Ehrfurcht vor ihm zurückwichen, als er aus zahlreichen Wunden blutend inmitten eines Dutzends erschlagener Angreifer stand.
»Du warst ein Mann, Michanek«, flüsterte Druss mit einem Seufzer. Rowena war niemals verbittert gewesen wegen seiner Beteiligung an Michaneks Tod. Sie hatte sogar niemals von ihm gesprochen. Hier draußen in dieser einsamen Wildnis erkannte Druss, daß dies ein Fehler war. Michanek hatte Besseres verdient. Ebenso Rowena – seine süße, sanfte Rowena. Sie hatte sich nichts weiter gewünscht, als den Bauern zu heiraten, zu dem Druss ohne ihre Entführung geworden wäre, ein Haus zu bauen und Kinder aufzuziehen. Druss war einst ein Bauer gewesen, aber er konnte es nie wieder werden. Er hatte die Freuden des Kampfes gekostet, die aufputschende Droge der Gewalt, und nicht einmal seine Liebe zu Rowena konnte ihn an die Berge seiner Heimat ketten. Und Kinder? Sie waren nicht damit gesegnet. Druss hätte gern einen Sohn gehabt. Bedauern streifte ihn, doch er verdrängte es rasch wieder. Seine Gedanken wanderten zu Sieben, und er lächelte. Wir sind gar nicht so verschieden, dachte er. Wir sind beide Künstler einer dunklen, unfruchtbaren Kunst. Ich lebe für den Kampf, ohne einen Grund zu brauchen, du lebst für Sex ohne einen Gedanken an Liebe. Was haben wir dieser gequälten Welt zu geben? dachte er. Der Wind frischte auf, und Druss’ Ruhelosigkeit verstärkte sich. Er kniff die Augen zusammen und spähte auf die Steppe hinaus. Alles war still. Er stand auf und ging zurück
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