Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
sein Pferd zum Stehen.
Druss trieb seine Stute an und ritt den Hügel hinunter. Mit den zusätzlichen Ponys am Zügel folgte Sieben ihm. Geier, die zu fett waren, um ihre Flügel auszubreiten, watschelten vor den Pferden davon. Der Todesgestank ließ die Pferde scheuen, aber die Reiter drängten sie weiter. Zuerst starrte Sieben einfach geradeaus, in dem Versuch, die Toten nicht sehen zu müssen. Es waren Kinder, Frauen – manche eng aneinandergedrängt, andere erschlagen, als sie davonzulaufen versuchten. Ein brauner Hund schlich in ein Zelt, dann jaulte er auf und lief davon. Druss zügelte sein Pferd.
»Warum bleiben wir stehen?« fragte Sieben. Druss stieg ab und reichte dem Dichter die Zügel der Stute. Mit der Axt in der Hand ging er zum Zelt, bückte sich und ging hinein. Sieben saß auf seinem Pferd und zwang sich, das Bild, das sich ihm bot, anzusehen. Es war nicht schwer zu erkennen, was sich hier abgespielt hatte. Die Mörder hatten spät am Abend angegriffen, als die Kochfeuer entzündet wurden. Die Nadir waren in alle Richtungen geflohen, aber mit erbarmungsloser Gründlichkeit niedergemacht worden. Manche der Toten waren verstümmelt oder enthauptet worden.
Druss kam aus dem Zelt und holte eine Wasserflasche. »Da drin ist eine Frau«, sagte er. »Sie lebt noch, aber schon bald wird sie in der Leere sein. Sie hat einen Säugling.«
Sieben stieg ab und band die Pferde an einen Zeltpfahl. Die Gothirpferde waren scheu und nervös wegen der Hunde und Geier, doch die Nadirponys bewahrten die Ruhe. Rasch pflockte er die Pferde mit Lederriemen an, dann lief er Druss hinterher. Im Zelt lag eine nackte junge Frau mit einer schrecklichen Wunde in Bauch und Seite. Blut hatte die leuchtend bunten Decken getränkt, auf denen sie lag. Sie hatte die Augen offen, aber ihr Kiefer hing schlaff herab. Druss hob ihren Kopf und setzte die Flasche an ihre Lippen. Wasser rann über ihr Kinn, aber es gelang ihr, ein bißchen zu schlucken. Sieben warf einen Blick auf die Wunde, sie war tief, die Klinge hatte ihren Körper völlig durchbohrt. Das Kind, teilweise unter einem Stapel Pelze verborgen, wimmerte leise. Druss hob es hoch und hielt es der Frau an die geschwollenen Brüste. Es begann zu saugen, zuerst nur schwach. Die Frau stöhnte und legte einen Arm um das Kind, um es an sich zu ziehen.
»Was können wir tun?« fragte Sieben. Druss’ kalter Blick begegnete dem seinen. Der Axtkämpfer sagte nichts. Als Sieben der Frau über das Gesicht streichelte, starrten ihn tote Augen an. Das Kind saugte weiter.
»Die hier haben sie zum Vergewaltigen übriggelassen«, sagte Druss. »Was für ein Pack!«
»Mögen sie in sieben Höllen schmoren«, sagte Sieben. Das Kind hatte aufgehört zu trinken, und Druss nahm es an seine breite Schulter, stützte das Köpfchen und strich ihm sanft über den Rücken. Siebens Blick wanderte zu der geschwollenen Brustwarze der Frau. Milch und Blut rannen heraus.
»Warum, Druss?« fragte er.
»Warum was?«
»Warum haben sie das getan? Was hatte es für einen Sinn?«
»Mich darfst du nicht fragen, Dichter. Ich habe gesehen, wie Städte geplündert wurden, wie gute Männer böse wurden, als Wut und Lust und Angst sie antrieben. Ich weiß nicht, warum sie es tun. Die Soldaten, die das hier getan haben, gehen nach Hause zu ihren Frauen und Familien und sind gute Ehemänner und Väter. Es ist mir ein Rätsel.«
Er wickelte das nackte Kind in eine Decke und trug es hinaus in den Sonnenschein. Sieben folgte ihm. »Werden sie es als Sieg feiern, was meinst du?« fragte Sieben. »Werden sie Lieder über diesen Überfall singen?«
»Laß uns hoffen, daß es beim Schrein ein paar Frauen mit Milch in den Brüsten gibt«, sagte Druss. Sieben band die Pferde los und hielt das Kind, bis Druss aufgestiegen war. Er reichte dem Axtkämpfer das Kind, dann schwang er sich in den Sattel seines Wallachs.
»Er hat sich von Milch und Blut genährt«, sagte Sieben. »Er trank von einer Toten.«
»Aber er lebt«, meinte Druss. »Er atmet.«
Die beiden ritten weiter. Druss zog dem Kind die Decke über den Kopf, um es vor der strahlenden Sonne zu schützen. Das Kleine schlief jetzt. Druss konnte das neue Leben riechen, den Duft seines milchgenährten Atems. Er dachte an Rowena und ihre Sehnsucht danach, ein solches Kind an ihre Brust drücken zu können.
»Ich werde Bauer«, sagte er plötzlich. »Wenn ich nach Hause komme, bleibe ich dort. Keine Kriege mehr. Keine Geier mehr.«
»Glaubst du das wirklich,
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