Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
mein Freund«, sagte Lin-tse leise. »Aber wir werden gut sterben.«
»Brüder bis zum Tode«, sagte Talisman. »Und vielleicht darüber hinaus. Wer weiß?«
»Wie lauten jetzt deine Befehle für mich, General?«
Talisman sah Lin-tse in die dunklen, grübelnden Augen. »Es ist wichtig, daß wir dieses Unterfangen mit einem Sieg beginnen – wie klein er auch ist. Gargan wird mit der Haupttruppe der Armee kommen. Vor ihnen werden mehrere Kompanien von Lanzenreitern kommen. Sie werden zuerst hier sein, und ich möchte, daß du und deine Himmelsreiter sie zerschlagen. Bartsai sagt, etwa fünfzehn Kilometer westlich von hier sei ein schmaler Paß. Wenn die Lanzenreiter ihn erreichen, greif sie an – nicht direkt, sondern mit Pfeilen. Dann macht kehrt – zurück durch den Paß. Ihr habt den größten Teil des heutigen Tages und morgen früh, um eure Überraschungen vorzubereiten. Bringt Beute mit, wenn ihr könnt.«
Lin-tse nickte. »Du denkst an Fecrem und den Langen Rückzug.«
»Genau. Wie ich sagte, ein Sieg ist wichtig. Von größter Bedeutung ist allerdings, daß du keine unnötigen Risiken eingehst. Wenn es sich um mehr als drei Kompanien handelt, laß sie ungeschoren. Deine dreißig Mann sind unersetzlich.«
Lin-tse erhob sich. »Ich werde mein möglichstes tun, General.«
»Daran habe ich keinen Zweifel. Du hast den kühlsten Kopf, Lin-tse. Deswegen habe ich dich für diese Aufgabe ausgewählt.«
Lin-tses Miene veränderte sich nicht. Ohne ein weiteres Wort ging er davon. Gorkai trat zu Talisman. »Er ist ein harter Mann, der da«, stellte er fest.
»Ein Mann aus Stein«, gab Talisman ihm recht. »Wo ist Zhusai?«
»Sie ist in den Schrein gegangen, um zu beten.«
Talisman ging ihr nach und fand sie neben dem steinernen Sarkophag. In der schattigen Kammer war es kühl, und er blieb einen Moment stehen und betrachtete sie. Sie drehte sich zu ihm um und lächelte ihn an. »Es ist so still hier«, sagte sie.
»Ich sah, wie du Kzun den Schal gegeben hast. Warum hast du das getan?«
»Er ist gefährlich und jemand, der … deine Befehle in Frage stellen könnte.«
»Ein Mann, den Gold nicht kaufen konnte – und du hast ihn mit einem Stück Leinen gewonnen. Du bist eine erstaunliche Frau, Zhusai.«
»Es gibt nichts, was ich nicht für dich tun würde, Talisman. Verzeih mir, wenn ich so direkt bin, aber Zeit ist kostbar, nicht wahr?«
»Ja«, gestand er. Sie nahm seine Hand und legte sie an ihre Brust.
»Warst du je mit einer Frau zusammen?« fragte sie.
»Nein.«
»Dann gibt es für uns beide viel zu entdecken.« Er zog sie an sich und berührte ihre Lippen mit den seinen. Der Duft ihres Haars stieg ihm in die Nase, der Geschmack ihres Mundes überflutete seine Sinne. Er fühlte sich schwindlig und schwach und zog sich von ihr zurück. »Ich liebe dich, mein Talisman«, flüsterte sie.
Für diese wenigen Augenblicke hatte er die Gefahren vergessen, die auf sie beide warteten. Jetzt traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag. »Warum gerade jetzt?« fragte er.
»Weil das alles ist, was es gibt«, sagte sie. Sie drehte sich zu dem Sarkophag und fuhr mit der Hand über die Eisenplatte. »Oshikai Dämonstod, Kriegsherr«, las sie. »Er wurde von Feinden belagert, als er Shul-sen heiratete. Und sie hatten so wenig Zeit, Talisman. Sie waren nur vier Jahre zusammen. Aber ihre Liebe war groß. Unsere wird ebenso groß sein. Ich weiß es. Ich fühle es, hier, an diesem Ort. Und wenn wir sterben, werden wir Hand in Hand durch die Leere wandern. Auch das weiß ich.«
»Ich will nicht, daß du stirbst«, sagte er. »Ich wünschte, ich hätte dich nie hergebracht. Das wünsche ich mir von ganzem Herzen.«
»Und ich bin froh, daß du es getan hast. Du wirst gewinnen, Talisman. Deine Sache ist gerecht. Das Böse kommt von den Gothir.«
»Das ist rührend, Zhusai. Und ich wünschte, es wäre wahr. Leider gewinnen nicht immer die Guten. Ich muß gehen, denn es gibt viel zu tun.«
»Wenn du alles getan hast, was du kannst, und dir die Nacht lang wird, komm zu mir, Talisman. Willst du das tun?«
»Ich werde zu dir kommen«, versprach er.
Der Himmel war schwarz vor Krähen und Geiern, als Druss und Sieben über einen Kamm ritten und in ein flaches Tal hinunterblickten. Unter ihnen lagen etwa vierzig Zelte aus Ziegenleder. Überall lagen Tote unter einer wimmelnden Masse von Aasvögeln. An anderen Stellen zerrten kleine Wüstenhunde an verwesendem Fleisch.
»Gütiger Himmel«, flüsterte Sieben und brachte
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