Die dritte Ebene
Er steht unter Strom wie ein Hundertmeter-Läufer kurz vor dem Start.«
»Schnell!«, rief Suzannah und riss die Tür zu Zieglers Zimmer auf. Der Astronaut hatte sich vom Bett erhoben. Die Sensoren der Messgeräte lösten sich von seinem Körper und fielen herab. Mit weit schwingenden Armbewegungen schlug er um sich, seine Beine staksten unkontrolliert umher, und er drohte jeden Augenblick zu stürzen, weil er sich in den Kabeln der Messsensoren verfing.
Während Suzannah in der Ecke eine Spritze aufzog, versuchte Brian den Mann zu umklammern. Immer wieder musste er den unkontrollierten Schlägen ausweichen. Schließlich bekam er das Handgelenk des Schlafwandlers zu fassen. Doch noch bevor Brian richtig zupacken konnte, traf ihn ein Schlag an der Schläfe. Für einen kurzen Moment tanzten Sterne vor seinen Augen. Eine Welle des Schmerzes schoss durch seinen Körper. Er wehrte sich gegen die drohende Schwäche und wich einem erneuten Schlag aus. Instinktiv ließ er sich nach vorn fallen und umfasste den Körper des Astronauten. In dem Schlafenden steckte eine schier unbändige Kraft. Brian wurde zur Seite gerissen und strauchelte. Doch er hielt sich auf den Beinen. Menschen, die sich in Todesangst befanden, entwickelten ungeahnte Kräfte und kämpften mit jeder Faser ihres Körpers gegen den drohenden Tod. Und Ziegler war von dieser panischen Todesangst erfüllt, das spürte Brian.
Es gab nur eine Chance, er musste ihn zu Fall bringen, damit Suzannah das Beruhigungsmittel in seine Vene spritzen konnte. Brian richtete sich auf. Erneut wischte Zieglers Arm in seine Richtung. Doch diesmal ergriff Brian den vorbeifliegenden Arm und setzte einen Armhebel an.
Ziegler strauchelte und ging zu Boden. Suzannah eilte mit aufgezogener Spritze herbei. Brian war darauf gefasst, dass er alle seine Kräfte aufbieten musste, damit er Ziegler am Boden halten konnte. Doch er irrte sich. Kaum war der Astronaut auf dem Boden aufgeschlagen, erlahmten seine Bewegungen. Wie ein friedlich Schlafender lag er plötzlich da.
»Es ist vorbei«, sagte Brian, als sich Suzannah hinabbeugte.
»Trotzdem, es kann jederzeit wieder beginnen.« Sie beugte sich über den Astronauten und schob den Ärmel des Schlafanzugs hoch.
Doch Brian legte seine Hand auf ihren Arm. »Lass es, das wirft uns nur zurück«, sagte er. »Ich hieve ihn auf das Bett, und wir fixieren ihn mit den Schnallen. Aber diesmal nehmen wir die Lederbänder und sichern sie mit zusätzlichem Material.«
Suzannah blickte Brian fragend an. Doch der nickte entschlossen. Auf seiner Wange erschien ein dunkler Fleck.
»Tut es sehr weh?« Sie legte sanft ihre Hand darauf.
»Es ist fast nicht auszuhalten«, sagte Brian lächelnd. »Ich glaube, da kann nur noch eine Psychologin helfen.«
Suzannah streichelte über Brians Gesicht. »Oh, da kenne ich jemanden, die sehr gut sein soll.«
San Mateo Mountains, Cibola National Forest
Sie hatten am südlichen Fuß des Mount Withington ihr Nachtlager aufgeschlagen. Am Lagerfeuer hatten sie sich Kaffee gekocht und eine Dose mit Bohnen und Rindfleisch verspeist. Nach dem Essen griff Dwain Hamilton in die Brusttasche seiner Jacke und zog eine Schachtel Zigarillos hervor. Er reichte sie Lazard, doch dieser lehnte ab.
»Ich dachte, das liegt hinter dir?«, fragte sein Neffe.
Dwain steckte mit einem glimmenden Holzspan sein Zigarillo an und nahm genüsslich einen tiefen Zug. »Ich habe wegen Margo aufgehört. Aber Margo ist nicht mehr da. Sie wird auch nicht wiederkommen. Also ist es egal, ob ich rauche.«
Lazard schüttelte den Kopf.
Hamilton ließ seinen Blick über die dunkle Wildnis streifen. Im flackernden Feuerschein tanzten dunkle Schatten in den Bäumen.
»Das habe ich viel zu lange nicht mehr gemacht«, sinnierte Dwain. »Früher war ich oft hier draußen. Ich habe ganze Tage im Cibola verbracht. Irgendwie hat mir das gefehlt.«
Sie sprachen noch eine ganze Weile über die Vergangenheit, über Margo und die Situation der Trennung, bis sie schließlich die Müdigkeit übermannte und sie sich in das Zelt zurückzogen.
Bei Sonnenaufgang erwachte Dwain. Er weckte Lazard, und nach einem kurzen Frühstück setzten sie ihren Weg fort.
»Wenn wir uns ranhalten, schaffen wir den Anstieg und sind bis heute Abend auf der anderen Seite.«
»Wieso bis zum Abend? Das kann doch gar nicht mehr so weit sein«, protestierte Lazard.
»Es sind noch beinahe fünf Kilometer, aber das Problem ist der Abstieg dort drüben. Da gibt es einige kahle Wände,
Weitere Kostenlose Bücher