Die dritte Ebene
sagte doch, sie muss im Dorf bleiben. Ihr Geist hat den Wolkengott besiegt. Sie ist mächtiger als zuvor. Sie kann die Geister verstehen und in die Zukunft schauen.«
»Visionen?«
»Gringo, wenn du mit Vision meinst, dass ihr die Götter wohlgesinnt sind, dann sind es Visionen, zum Teufel.«
»Kann sie sprechen?«
»Sie war eine ganze Woche noch in den Wolken, doch dann ist ihr Geist in ihren Körper zurückgekehrt. Jetzt ist sie wieder wach. Sie kann alles tun, was wir auch tun können, aber ihr Geist kann noch viel mehr. Sie sieht die Zukunft. Sie hat mir gesagt, dass du kommen wirst, Gringo. Schon bald.«
Brian zog die Augenbrauen hoch. Für einen Augenblick herrschte Schweigen.
»Bist du noch am Telefon, Americano? Hörst du mich?«
»Ja, ich verstehe dich. Ich kann dich verstehen«, murmelte Brian und ließ sich auf das Bett fallen.
»Wann kommst du, Gringo?«
»Nein, ich komme nicht«, antwortete Brian. »Ich habe zu tun. Ich melde mich wieder bei dir.«
»Ka-Yanoui hat dich gesehen«, bekräftigte Juan. »Du bist durch ihr Dorf gegangen. Du warst nicht allein. Denke daran, sie kennt alle Antworten, und du wirst Fragen haben. Erinnere dich daran, Gringo, denn ich bin da, wenn du kommst.«
Brian schüttelte den Kopf. »Ich arbeite zurzeit für die NASA. Ich …«
»Vertraue der Macht der Götter und pass auf dich auf, Gringo«, erwiderte Juan. »Und trinke nicht wieder so viel. Das macht deinen Geist ganz verwirrt. Und dein Kopf brummt wie tausend Fliegen.«
»Ich werde an dich denken, wenn ich den nächsten Whiskey trinke. Pass gut auf dich auf, Juan.«
Brian drückte auf den roten Knopf und beendete das Gespräch. Nachdenklich schaute er auf den Telefonhörer.
»Ein guter Freund?«, fragte Suzannah.
Brian schob seine Gedanken beiseite und schaute auf. »Ein wirklich guter Freund. Ich war mit ihm bei der Schamanin in Venezuela. Er war mein Führer.«
»Die Frau, über die du eine Reportage geschrieben hast?«
»Genau«, bestätigte Brian. »Sie lag sieben Tage lang im Koma. Jetzt ist sie wieder wach und kann sprechen.«
»Sie war im Koma – so wie unsere beiden Patienten, nicht wahr?«
Brian nickte. »Was führt dich in meine bescheidene Hütte?«, wechselte er das Thema.
»Ach ja, ich wollte dich eigentlich fragen, ob du mit mir nach Orlando fährst. Ich war auf so einen langen Aufenthalt nicht eingestellt und bräuchte noch ein paar frische Sachen. Ich dachte, du hättest vielleicht nichts gegen einen kleinen Trip einzuwenden. Ziegler ist bei den Pflegern in guten Händen, und wir haben Zeit bis heute Abend.«
»Sicher doch, wir sind doch Partner«, sagte Brian schmunzelnd und stellte das Telefon zurück in das Ladegerät. »Ich frage mich nur, wie wir hier wegkommen sollen?«
Suzannah wies auf das Fenster. Brian warf einen Blick nach draußen. Ein weißer Chevy stand auf dem Parkplatz gegenüber.
»Er gehört uns«, sagte Suzannah. »Zumindest für den heutigen Tag.«
Brian zog seine Turnschuhe an und griff nach einem leichten Blouson. »Worauf warten wir dann noch?«
6
NOAA, Boulder, Colorado
Chefmeteorologe Professor Cliff Sebastian von der National Oceanic and Atmospheric Administration hatte abermals einen anstrengenden Tag hinter sich. Er freute sich darauf, den Sonntagabend in der entspannten Atmosphäre des Baseballstadions am Rande der Stadt verbringen zu können. Die Red Boulder Bulldogs spielten gegen die Niwot Cougars. Ein Duell um einen der Spitzenplätze der laufenden Saison. Neben seinem Beruf war Baseball Sebastians große Leidenschaft, und er besaß eine Saisonkarte für die laufende Runde.
Früher hatte er selbst in der Mannschaft seines College gespielt, und sein Trainer hatte ihm damals gesagt, er habe Talent und könne es in dieser Sportart weit bringen. Doch dann hatte er den Sport aufgegeben und sich der Wissenschaft verschrieben. Trotzdem fühlte er sich noch immer in den Stadien zu Hause und konnte am besten abschalten, wenn er den Teams dabei zuschaute, wie sie dem kleinen weißen Ball nachjagten. Für eine Familie war nie Platz in seinem Leben gewesen. Nach dem Studium und mehreren Jahren Forschungsarbeit, unter anderem auf dem Mount Washington – dem Berg des Windes – und in der Arktis, hatte er sich der NOAA angeschlossen und war schließlich verantwortlicher Abteilungsleiter für Meteorologie und Klimaforschung innerhalb der Behörde geworden.
Den gestrigen Tag hatte er damit verbracht, Stellungnahmen und Presseinterviews zu den Zerstörungen des
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