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Die dritte Ebene

Die dritte Ebene

Titel: Die dritte Ebene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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Decke signalisierte, dass höchste Kampfbereitschaft an Bord der Tichonow herrschte. Aber weit und breit war kein Gegner auszumachen. Dennoch herrschte an Bord der Tichonow fassungslose Hektik. Zwei Leichen lagen vor dem Zugang zum Maschinenraum. Blutende Löcher in Brust und Kopf, von großkalibrigen Projektilen gerissen, die das Leben der Matrosen ausgelöscht hatten.
    Die Tichonow war ein U-Boot der russischen Marine. Ein Mehrzweck-Atom-U-Boot der neuesten Generation. Beinahe 35 Knoten betrug die Unterwassergeschwindigkeit, und die Tauchtiefe belief sich auf stolze 600 Meter. 24 Trägerraketen für atomare Sprengköpfe mit einer Reichweite von 3000 Kilometern befanden sich an Bord und machten das Unterwasserfahrzeug zu einer beachtlichen Erstschlagwaffe. Mit 63 Besatzungsmitgliedern hatte sie ihr Einsatzgebiet, die Ostküste der Vereinigten Staaten von Amerika, vor drei Tagen erreicht und kreuzte zwischen den Bahamas und der Sargassosee, um verdeckte Aufklärung von Truppenbewegungen amerikanischer Zerstörerverbände vor der Ostküste zu betreiben. Doch vor knapp einer Stunde war der Brückenmaat plötzlich durchgedreht, hatte ein automatisches Sturmgewehr, eine Tokarev 9mm, und ausreichend Munition aus dem Waffenschrank entnommen und wild um sich geschossen. Auf der Brücke hatte er den diensthabenden Ersten Offizier, den Steuermann, den Funker und den Navigator getötet, anschließend war er in die Aufenthaltsräume mittschiffs gestürzt und hatte planlos das Feuer auf die anwesenden und schlafenden Besatzungsmitglieder eröffnet. Noch bevor er überwältigt werden konnte, schoss er sich den Weg frei, tötete den Kapitän und den Sonaroffizier und flüchtete in den Maschinenraum. Auch dort richtete er ein Blutbad an. Niemand wusste, was in Alexej gefahren war. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass der Mann in einer solchen Weise ausrasten würde. Im Gegenteil. Alexej galt als zurückhaltender und hilfsbereiter Seemann mit einer ausgezeichneten Qualifikation. Er hatte schon auf mehreren U-Booten gedient, bis er vor einem halben Jahr auf eigenen Wunsch auf die Tichonow versetzt worden war. Nun hatte sich Alexej mit dem Sturmgewehr, der Pistole und noch immer ausreichend Munition im Maschinenraum verschanzt und schoss auf jeden, der sich ihm näherte.
    Am Tag zuvor hatte das Unheil seinen Lauf genommen. Wie aus heiterem Himmel schlug die gute Stimmung an Bord um. Die Matrosen wurden scheinbar grundlos missmutig und gereizt. Harmlose Gespräche endeten in hitzigen Streitereien, die Befehle des Kapitäns wurden ignoriert, und drei Matrosen steigerten sich wegen der Essensration dermaßen in Rage, dass sie den anwesenden Offizier angriffen, woraufhin sie in Gewahrsam genommen und in den Heckraum gesperrt wurden. Angesichts dieser Disziplinlosigkeit bewaffnete der Kapitän die Offiziere, um der Lage wieder Herr zu werden. Gegen Abend erlangten sie wieder die Kontrolle über die Matrosen, doch im Laufe dieses Tages geriet die Lage vollkommen aus dem Lot, als der Brückenmaat Amok zu laufen begann.
    »Wenn er weiter so um sich ballert, dann wird er noch ein Loch in die Wandung schießen, und wir werden alle jämmerlich ersaufen«, sagte ein Matrose zu Leutnant Karmow, dem ranghöchsten einsatzfähigen Offizier an Bord. Die Männer hatten sich hinter dem Durchgang zum Maschinenraum verschanzt und zielten mit ihren Waffen auf das Schott.
    Ein weiterer Soldat hetzte auf Karmow zu. »Die Navigationssysteme, die Luftzufuhr, die Steuerung und das Sonar …«, flüsterte der Seemann atemlos. »Alles ist im Eimer. Wir können uns nicht länger in dieser Tiefe halten.«
    »Wie ist die augenblickliche Tiefe?«, fragte Karmow.
    »Wir sind auf 350 Meter«, erklärte der Matrose. »Wenn es ihm gelingt, ein Loch in unsere Außenhülle zu schießen, dann wird uns der Druck zerquetschen.«
    »Können wir auftauchen?«, fragte Karmow.
    Der atemlose Matrose zuckte mit den Schultern.
    »Also gut«, beschloss der Leutnant. »Wir werden auftauchen. Egal, wie unsere Befehle lauten. Ihr beide bewacht diesen Zugang. Sobald er sich zeigt, erschießt ihr ihn. Dort drinnen gibt es hochexplosive Akkumulatoren. Keinesfalls ungezielt in den Maschinenraum feuern, verstanden?«
    Die beiden Marinesoldaten nickten.
    Karmow erhob sich und schlich im Schutz der kleinen Zwischenwand auf das nächste Schott zu. Seine Waffe hatte er einem der Soldaten übergeben. Am nächsten Schott angelangt, kniete er sich zu Boden und schlich sich in die Mitte des

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