Die dritte Ebene
Zugangs. Plötzlich peitschte eine Salve auf. Ein lauter Schrei ertönte. Neben Karmow schlugen die Projektile in die Wand. Einige Querschläger surrten in alle Richtungen davon. Karmow spürte einen Schlag gegen seine Schulter. Schmerzen zuckten durch seinen Körper. Er ignorierte den Schmerz und rollte sich blitzschnell zur Seite. Als sein Blick auf die gegenüberliegende Querwand fiel, sah er den Soldaten, dem er seine Pistole gegeben hatte, leblos auf dem Boden liegen. Der andere hatte sich auf den Boden gekauert, den Rücken gegen den kalten Stahl gepresst. Seine Hände umklammerten das Gewehr, und die Knöchel traten weiß hervor. Unbändige Angst beherrschte den jungen Matrosen. Eine neue Salve peitschte auf. Wieder heulten die Querschläger durch den engen Leib des Bootes.
Karmow robbte zu dem jungen Soldaten zurück. Noch bevor er ihn erreichte, sah er, wie ein Ruck durch dessen Körper ging. Plötzlich schnellte der junge Mann in die Höhe. Mit einem lauten Schrei sprang er auf das Schott zu, einen Schuss nach dem anderen abfeuernd, so als ob er die Kontrolle über das Sturmgewehr in seiner Hand verloren hätte.
»Nicht!«, brüllte Karmow. »Nicht schießen, in Deckung. Das ist Wahnsinn!«
Der junge Mann hörte nicht. Das ganze Magazin feuerte er in den Maschinenraum. Plötzlich lief ein Zittern durch das Boot. Karmow warf sich zu Boden und hob schützend die Hände über seinen Kopf. Eine Feuerwalze rollte über ihn hinweg. Schreie hallten durch den schlanken Bootskörper. Das Licht fiel aus.
Als Karmow nach Sekunden die Augen öffnete, spürte er das Brennen auf seinen Händen. Ein Geräusch ließ ihn herumfahren. Kurz darauf erschien Alexej im Durchgang. Seine Kleider brannten lichterloh. Noch immer hielt er eine Pistole in der Hand. Er rannte an Karmow vorbei, beachtete ihn überhaupt nicht. Schüsse ertönten, dann wurde es dunkel. Karmow fiel in eine tiefe Ohnmacht.
Flug AV 4644, Air Avianca, Karibisches Meer
Die Sturmwarnung war am späten Nachmittag wiederholt und auf die gesamte Golfregion um Kuba und den Küstengebieten von Quintana Roo und Yucatan ausgeweitet worden. Einen Hurrikan der Stufe 5 hatte der Wetterdienst vermeldet, und allmählich fragten sich die Meteorologen, ob es nicht an der Zeit sei, über eine Neueinteilung der Kategorien nachzudenken.
Trotz der Sturmwarnung hatte die Tristar der kolumbianischen Fluglinie Air Avianca kurz nach sechs Uhr in Cali abgehoben, um die rund zweihundert Passagiere nach Havanna zu bringen. Kolumbianische Geschäftsleute und kubanische Techniker befanden sich an Bord der beinahe dreißig Jahre alten Maschine.
Der Flugkapitän und sein Team hatten eine Route gewählt, die zwar einen kleinen Umweg bedeutete, jedoch laut der aktuellen Wetterkarten gute zwanzig Kilometer östlich der Ausläufer von Fjodor nach Kuba führte. Knapp 2400 Kilometer lagen vor den Passagieren des Fluges AV 4644. Mit einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 600 Kilometern auf einer Höhe von 10000 Metern würden viereinhalb Stunden vergehen, bis die Tristar auf dem Flughafen in Havanna aufsetzen sollte. Kurz nach dem Überqueren des 15. Breitengrades hatte die Flugkontrolle in Kingston den Flug übernommen und ihm eine neue Flughöhe auf 12000 Meter sowie eine etwa zehn Kilometer weiter östlich verlaufende Flugroute zugewiesen, denn die Ausläufer von Fjodor hatten sich in der letzten Stunde relativ zügig nach Osten verlagert.
Kurz nachdem sie den Ostteil von Jamaika überquert hatte, geriet die Maschine in heftige Turbulenzen. Der Kapitän meldete die Störungen umgehend an die Flugkontrolle und wies die Passagiere an, die Sicherheitsgurte anzulegen. Über zehn Meter sackte die Maschine innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde ab. Zum wiederholten Mal versuchte der Pilot mit der Bodenstation in Kontakt zu treten, doch Jamaika blieb stumm. Die Turbulenzen wurden stärker, und der Pilot hielt das Steuerruder fest umklammert. Der Höhenmesser war auf 11500 Meter gefallen. Erste Wolkenfetzen flogen am Fenster vorbei.
Der Pilot riss am Steuer und drehte nach Backbord ab, doch die Wolken wurden immer dichter. Im Passagierraum brach heftige Unruhe aus. Draußen wurde es immer düsterer. Vergeblich bemühten sich die Stewardessen, die Passagiere zu beruhigen. Erneut lief ein Zittern durch die Maschine. Dann folgte ein lauter Knall.
»Eis!«, schrie der Pilot. »Verdammt, Eis!«
Wie Kanonendonner dröhnten die Einschläge durch das Cockpit. Plötzlich wurde die
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