Die dritte Ebene
dunkle Wasser. Immer schneller strebte er der Wasseroberfläche entgegen. Der Druck der Pressluft in den Tauchkammern riss die Tichonow aus der Tiefe des Ozeans empor, bis der Bug die Grenze zwischen den Elementen durchbrach und das U-Boot wie ein Fisch auf Jagd nach Beute aus dem Wasser sprang. Geräuschvoll fiel es zurück in das Wellental. Ein paar Sekunden schlingerte der Bootsleib und neigte sich nach allen Seiten, bis die Dünung das Schiff erfasste und im Gleichklang der Wellen über das grünlich schimmernde Wasser trug.
Die Tichonow trieb mit den Wellen dem Festland entgegen, und äußerlich wies nichts darauf hin, welche Tragödie im Inneren stattgefunden hatte. Lediglich sieben Seeleute hatten das Blutbad unverletzt überstanden. 19 zum Teil schwer verletzte Matrosen rangen mit dem Tod, 37 hatten nicht überlebt.
Das Steuerpult auf der Brücke war zerstört, der Antrieb, die Pumpen, das Sonar sowie der Funk waren ausgefallen. Die Explosion im Maschinenraum hatte einen Brand ausgelöst, der zwar mit vereinten Kräften wieder gelöscht werden konnte, dennoch quoll noch immer schwarzer und beißender Rauch aus einigen Rohren. Das Schott zum Maschinenraum war mittlerweile geschlossen. Wasser drang durch feine Haarrisse in das Schiff ein.
»Was sollen wir tun?«, fragte der Schiffskoch, der überlebte, weil er sich rechtzeitig im Vorratsraum verborgen hatte.
»Wo genau sind wir?«, fragte Karmow.
Der Koch zuckte mit der Schulter. »Irgendwo vor den Bahamas. Ich bin Koch und kein Navigator.«
»Haben wir noch Signalmunition?«, fragte Karmow.
Der Leutnant sah mitgenommen aus. An Händen und Gesicht Verbrennungen, lag er im Zwischengang auf einer Bahre. Glücklicherweise hatte ihm die Gasexplosion nur oberflächliche Verletzungen zugefügt, und er war wieder aus seiner Ohnmacht erwacht. Andere Besatzungsmitglieder hatte es weitaus schlimmer erwischt. Ärztliche Hilfe war dringend erforderlich. Von der medizinischen Abteilung hatte lediglich ein einziger Sanitäter überlebt, den die Situation vollkommen überforderte.
Der Koch eilte davon, um die Signalpistole zu holen. Kaum eine Minute später tauchte er wieder auf, einen Patronengurt mit zwölf Kartuschen in der Hand. »Das ist alles«, sagte er schnaufend.
»Dann feuern Sie alle zehn Minuten eine Leuchtrakete ab und beten Sie, dass uns jemand entdeckt, bevor wir alle absaufen.«
»Aber wir haben strikte Order, auf keinen Fall …«
»Ich kenne die Order!«, schnitt Karmow dem Koch das Wort ab. »Aber wollen Sie vielleicht lieber sterben? Noch immer brennt es unter den Abdeckungen im Maschinenraum. Im Unterdeck dringt Wasser ein. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir sinken oder in die Luft fliegen. Außerdem haben wir Verletzte an Bord, die dringend ärztliche Hilfe brauchen. Russland ist weit, und auf Hilfe von dort brauchen wir nicht zu warten. Oder haben Sie damit ein Problem?«
Der Koch zuckte mit den Schultern. »Sie sind der ranghöchste Offizier. Es ist Ihre Entscheidung.«
»Dann ballern Sie endlich diese Dinger in die Luft, damit wir wenigstens noch eine kleine Chance haben!«
13
Caribbean Queen, Golf von Mexiko
Fjodor war an Santiago de Cuba vorübergezogen und hatte außer heftigem Wind und viel Regen keine größeren Spuren hinterlassen. Die Caribbean Queen hatte im Schutz des Hafens gelegen, um bei Sonnenaufgang ihre Reise zu den schönsten Stränden der Karibik fortzusetzen. Peggy, ihre Mutter und die beiden Kinder standen an der Reling und bewunderten den Sonnenaufgang. Es war ein einzigartiges Schauspiel, wie sich die blutrote Sonne aus dem Ozean erhob und langsam in den Himmel schob. Die Luft vibrierte. Sie genossen die morgendliche Frische in vollen Zügen. Der Hurrikan hatte den dunklen und trüben Dunst des gestrigen Tages weggewischt. Nach dem unplanmäßigen Stopp wegen Fjodor im Hafen von Santiago wollte der Kapitän etwas Zeit gutmachen. Mit voller Kraft lief die Caribbean Queen auf Südkurs durch die stille Karibische See.
Der kleine Tom hatte sich in der stürmischen Nacht im Hafen an die Mutter geschmiegt und sie nicht mehr loslassen wollen. Auch jetzt war seine Angst noch nicht verflogen. Peggy hielt ihn auf den Armen, doch allmählich wurde er ihr zu schwer.
»So, kleiner Mann, es ist wieder Zeit, auf eigenen Beinen zu stehen«, sagte sie liebevoll und stellte ihn auf den Boden.
»Kommt der Sturm heute wieder?«, fragte der Junge ängstlich.
»Tommy ist ein Angsthase, Tommy ist ein Angsthase!«, rief seine
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