Die dritte Ebene
haben.«
Der junge Feuerwehrmann setzte sich auf den Boden und lehnte den Rücken gegen die kalte, feuchte Wand. Grübelnd starrte er auf den engen Lichtschacht. »Wenn ich nur wüsste, wie es in der Stadt aussieht.«
»Hast du Familienangehörige in der Stadt?«
Bill schüttelte den Kopf. »Mein Vater wohnt in Houston, und meine Mutter wohnt mit ihrem neuen Ehemann und meiner kleinen Schwester in Hammond. Ich bin als Einziger hier in der Stadt geblieben. Aber meine Freundin Hazel ist noch in unserem Apartment in der Canal Street.«
»Sie hat die Stadt nicht verlassen?«
»Sie wollte bei mir bleiben.«
Schneider blickte zu Boden. Er wich dem fragenden Blick von Bill aus, weil er nicht wusste, was er sagen sollte. Bestimmt war die Lage weiter im Norden der Stadt, dort, wo die großen Dämme lagen, vor allem in der Nähe des Lake Pontchartrain, noch prekärer als in Central New Orleans, wo sich vor allem das Wasser des Mississippi über den Straßen und Plätzen ausbreitete. Plötzlich richtete sich der Junge auf, zog einen Holzstuhl, der in der Ecke stand, an den Lichtschacht heran und kletterte hinauf. Er musste sich strecken, um durch die Lamellen des Schachts nach draußen blicken zu können.
»Ich sehe einen blauen Himmel«, murmelte er ungläubig. »Zum Teufel, da draußen ist ein blauer Himmel. Keine Wolke, nichts. Nur Blau. Und wir hocken hier in diesem Loch.«
»Das Auge des Hurrikans«, erklärte Schneider. »Es ist wie ein Schacht. Luft steigt an den Rändern hinauf und sinkt im Inneren wieder ab. Abgekühlte Luft. Solange wir uns im Auge befinden, sind wir vor dem Wind sicher.«
»Haben wir es überstanden?«
Schneider schüttelte unmerklich den Kopf. »Wenn das Auge über uns hinweggezogen ist, setzen Wind und Regen aufs Neue ein. Manchmal heftiger als zuvor.«
Bill wandte den Kopf und warf einen weiteren Blick nach draußen. Mit einem Seufzer stieg er vom Stuhl. Neben einem kleinen Regalschrank blieb er stehen. Er fummelte an einem schwarzen Kasten mit Schaltern und Knöpfen herum. Plötzlich knackte und rauschte es.
»Ich werde verrückt«, sagte Bill. »Ein Radio mit Batteriebetrieb.«
»Ich glaube, es ist besser, du schaltest wieder aus«, meinte Schneider. »Wir brauchen es vielleicht dringender, wenn der Sturm vorüber ist. Du weißt nicht, wie lange die Batterien noch halten.«
Der Junge ließ sich nicht beirren. Er betätigte den Sendersuchlauf, bis er endlich auf einen Sender stieß.
… die Stadt. Überall steigt die Sturmflut an. Die Deiche sämtlicher großer Seen sind weitflächig überspült. Ein Großteil der Dämme ist eingebrochen. Der Superdome ist vor ein paar Minuten in sich zusammengebrochen. Bevor der Hurrikan die Küste erreichte, hatten vierzigtausend Menschen darin Zuflucht gesucht, und eine riesige Schlange wartete noch bis kurz nach neun Uhr am Haupteingang.
»Wir rechnen mit dem Schlimmsten«, so James Tisser, der leitende Offizier des Katastrophenschutzteams in New Orleans.
Die kleinen schmucken Einfamilienhäuser in den Randbezirken sind nicht mehr zu erkennen. Vor einer halben Stunde sind sie in den Fluten versunken. Historische Bauten wie die Markthallen am French Market oder das Convention Center sind teilweise eingestürzt. Es herrscht Chaos. Leichen treiben im Wasser. In zwei Stunden wird das Spiel von Neuem beginnen. Die Hölle ist über den Einwohnern der Stadt hereingebrochen.
… so weit von unserem Reporter Ernest Willford aus New Orleans für Radio Seven-Four-Nine, Louisiana.
»Wir werden sterben«, murmelte Bill.
»Lass den Kopf nicht hängen. Es gibt nichts zu gewinnen, wenn wir uns aufgeben. Aber wir können ums Überleben kämpfen.«
»Ich habe Angst.«
»Ich auch, lieber Freund, ich auch, glaub mir«, antwortete Schneider.
Socorro, New Mexico
Sheriff Dwain Hamilton war mit der Abendmaschine von Saskatoon nach Albuquerque zurückgekehrt. Müde betrat er am Donnerstagmorgen das Büro.
Donna, Dave Lazard und die anderen Deputys starrten gebannt auf den Fernseher, wo Bilder des Nachrichtenkanals über den Bildschirm flimmerten.
Von einer unheilvollen und noch nie da gewesenen Katastrophe war die Rede angesichts der Verwüstungen, die der Hurrikan Fjodor in New Orleans und der dortigen Umgebung angerichtet hatte. Unzählige Gebäude waren eingestürzt. Sogar der Superdome hatte dem Wind und den gewaltigen Wassermassen nicht standgehalten. Von weit über hunderttausend Toten war die Rede.
»Hast du davon schon gehört?«, fragte Dave
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