Die dritte industrielle Revolution - die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter
Kontinenten nicht so recht glauben können, dann denken Sie doch zurück an die weltweite Skepsis, als man mit der Idee eines Suez- oder Panamakanals zu spielen begann. Der Suezkanal, der Ägypten durchschneidet und das Mittelmeer mit dem Roten Meer verbindet, schuf eine künstliche Wasserverbindung zwischen Europa und Asien; man brauchte das Kap Hoorn an der Südspitze Afrikas nicht mehr zu umschiffen. Die Arbeit an dem über 193 Kilometer langen Kanal begann 1859 und war nur zehn Jahre später beendet. Über 1,5 Millionen Menschen waren an dem Projekt beschäftigt, Tausende mussten dabei ihr Leben lassen. 45 Und den Panamakanal, von den Franzosen in den 1880er Jahren in Angriff genommen und kurz darauf wieder aufgegeben, stellten die Vereinigten Staaten am Vorabend des Ersten Weltkriegs ebenfalls innerhalb eines Jahrzehnts fertig. Er durchschneidet Mittelamerika und verbindet den Atlantik mit dem Pazifik, was den langen Weg über die Magellanstraße an der Südspitze Südamerikas überflüssig macht. Er kostete 5609 Menschen das Leben. 46
Sind die technischen Herausforderungen bei der Verbindung der großen Kontinentalmassen auch schier entmutigend, so sind doch die kommerziellen Möglichkeiten ungeheuer. Mit einiger Wahrscheinlichkeit werden die Kontinente unseres Planeten lange vor der Jahrhundertmitte in einer Infrastruktur der Dritten Industriellen Revolution wieder miteinander verbunden sein. Der Weg zu einem neuen Pangaea steht damit offen. Der Aufbau eines gemeinsamen interkontinentalen Lebensraums sorgt für eine neue räumliche Orientierung. In einer zunehmend integrierten globalen Gesellschaft beginnen die Menschen sich als Teil eines untrennbaren planetarischen Organismus zu sehen.
Das erste Kontinentalbündnis der Welt
Die Gelehrten des Mittelalters hätten sich das Konzept einer Nation noch nicht einmal vorstellen können – eine weltliche Regierung, die |190| vom Konsens ihrer Bürger getragen ist und ihre Herrschaft nicht aufgrund eines göttlichen Mandats ausübt. Und der größte Teil der Menschheit – vielleicht mit Ausnahme der Europäer – dürfte heute noch seine Schwierigkeiten damit haben, sich als Bürger einer Kontinentalunion, als Teil einer politischen Großfamilie von einer Küste zur anderen zu sehen. Der Gedanke, dass jeder Kontinent von einer politischen Union regiert werden sollte, mag zunächst merkwürdig scheinen. Aber es ist, unvorhersehbare Ereignisse einmal außer Acht gelassen, genau das, worauf wir uns zubewegen. Und es mutet sonderbar an, politische Experten und Journalisten über all die verschiedenen neuen politischen Machtarrangements – G20, G8, G6, BRIC – sprechen zu hören, ohne dass sie dabei auch nur einmal eine weit fundamentalere politische Neuausrichtung erwähnen, die sich überall in Form kontinentaler Regierungen zu etablieren beginnt. Die Dritte Industrielle Revolution bringt uns nicht nur eine neue Generation politischer Führer, die dezentral und kollaborativ denkt, sondern auch eine neue Art von entsprechend dezentraler und kollaborativer Regierung.
Die Europäische Union ist das erste Kontinentalbündnis. Sie entstand im Gefolge zweier verheerender Weltkriege, getragen von der Überzeugung, dass die traditionelle Geopolitik, in der souveräne Nationalstaaten ihre machtpolitischen Interessen auf Märkten und Schlachtfeldern durchzusetzen versuchten, wenigstens teilweise einer neuen kontinentalen Politik weichen müsste, bei der sich Nationen auf gemeinsame sicherheitspolitische und wirtschaftliche Zielen verständigen. Auch wenn das nationale Eigeninteresse mit der Gründung der Europäischen Union nicht verschwand, so ist doch jede neue Generation von Europäern in etwas höherem Maße bereit, sich –
zuweilen
– als Europäer zu sehen.
Die Europäische Union fand sich ursprünglich zusammen, um Energie zu teilen. Als geistiger Vater der Montanunion von 1951 gilt gemeinhin Jean Monnet. Monnet war der Überzeugung, dass sich die alte wirtschaftliche Rivalität zwischen Deutschen und Franzosen womöglich am besten dadurch vermindern ließe, dass man Kohleressourcen und die Stahlproduktion zusammenlegte, vor allem innerhalb des lange umstrittenen |191| industriellen Korridors an Ruhr und Saar. Den Vertrag für die Montanunion schlossen in Paris Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg. 1957 unterzeichneten diese sechs Mitgliedsstaaten die Römischen Verträge, die den Gedanken der Zusammenarbeit auf die Gründung
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