Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
Voisenet, dessen positivistisches Fundament zusammengebrochen war, seitdem Adamsberg durch bloßes Wolkenschaufeln die Existenz eines Knochens im Herzen des Hirschs erraten hatte. »Devalon hat erfahren, daß wir in Clancy waren, und auch herausgekriegt, warum. Seitdem er in der Mordsache Élisabeth und Pascaline versagt hat, ist er in einer peinlichen Lage. Er will, daß seine Brigade die Überwachung von Francine Bidault übernimmt.«
    »Um so besser«, sagte Adamsberg. »Solange Francine geschützt wird – mehr verlangen wir nicht. Rufen Sie ihn an, Danglard. Devalon soll drei bewaffnete Männer einsetzen, die sich jeden Tag von neunzehn Uhr bis dreizehn Uhr des nächsten Tages abwechseln, und daß mir da keine Panne passiert. Wir beginnen heute abend. Der Wachhabende soll sich im Haus postieren, wenn möglich in ihrem Schlafzimmer. Das Bild der Krankenschwester schicken wir nach Évreux. Wer hat die Lastwagenvermieter abgeklappert?«
    »Ich«, sagte Justin, »mit Lamarre und Froissy. Bis jetzt keinerlei Hinweis in der Île-de-France. Keiner der Angestellten erinnert sich an eine fünfundsiebzigjährige Frau, die einen Neuntonner verlangt hätte. Wir haben sie überprüft, die Aussagen stimmen.«
    »Und die blaue Spur auf dem Boden der Halle?«
    »Es ist tatsächlich Schuhcreme.«
    »Heute nachmittag hat Retancourt etwas gesagt«, bemerkte Estalère. »Aber sie hat nicht lange gesprochen.«
    Neugierige Gesichter wandten sich ihm zu.
    »Hat sie was von Corneille gesagt?« fragte Adamsberg.
    »Sie hat nichts von Corneille gesagt, sie hat von Schuhen geredet. Sie hat gesagt, wir sollen Schuhe zum Wohnwagen schicken. «
    Die Männer wechselten ratlose Blicke.
    »Sie baut echt ab, die Dicke«, sagte Noël.
    »Nein, Noël. Sie hatte der Frau aus dem Wohnwagen versprochen, ihr das Paar blaue Schuhe zu ersetzen. Lamarre, kümmern Sie sich darum, sie finden die Adresse in Retancourts Unterlagen.«
    »Nach all dem, was sie durchgemacht hat, muß sie uns das als erstes sagen?« fragte Kernorkian.
    »So ist sie eben«, sagte Justin gleichmütig. »Und sonst hat sie nichts gesagt?«
    »Doch. Sie hat noch hinzugefügt: Es geht uns nichts an. Sag ihm, es geht uns nichts an. «
    »Die Frau?«
    »Nein«, sagte Adamsberg. »Die Frau war ihr keineswegs egal.«
    »Wer ist ›ihm‹?«
    Estalère deutete mit dem Kinn auf Adamsberg.
    »Zweifellos«, meinte Voisenet.
    »Was?« murmelte Adamsberg. »Was soll mich nichts angehen?«
    »Die baut echt ab«, sagte Noël noch einmal sehr besorgt.

56
    Zum erstenmal in ihrem Leben und seit zweiundzwanzig Tagen hatte Francine sich nicht mehr die Bettdecke übers Gesicht gezogen. Mit freiem Kopf, den sie sorglos auf ihr Kissen bettete, schlief sie ein, und das war unendlich einfacher, als unter dem Bettzeug zu ersticken oder seine Nase an ein Luftloch zu pressen. Auch hatte sie die Löcher der Klopfkäfer nur flüchtig überprüft und die neuen Bohrungen ignoriert, die sich in südlicher Richtung auf dem Balken ausbreiteten, und wie der Kopf eines solchen verfluchten Klopfkäfers aussehen mochte, war ihr seit kurzem auch nicht mehr wichtig.
    Dieser Polizeischutz war wahrlich ein Geschenk des Himmels. Jede Nacht lösten sich drei Männer bei ihr zu Hause ab und bewachten sie sogar am Morgen noch, bis sie zur Arbeit ging – konnte man sich etwas Besseres erträumen? Sie hatte nicht gefragt, aus welchen Gründen man sie partout bewachen wollte, aus Furcht, ihre Neugier könne die Gendarmen verärgern und sie womöglich von ihrem guten Einfall abbringen. Nach dem, was man ihr zu verstehen gegeben hatte, gab es in letzter Zeit Einbrüche, und Francine fand es durchaus nicht seltsam, daß fast überall bei den alleinlebenden Frauen der Gegend Gendarmen saßen. Andere hätten protestiert, aber ganz sicher nicht sie, die jeden Abend voller Dankbarkeit ein Essen für den diensthabenden Gendarmen zubereitete, das sehr viel raffinierter war, als sie es jemals für ihren Vater gekocht hatte.
    Das Gerücht über jene erlesenen Abendessen – und über Francines Charme – hatte in der Brigade von Évreux die Runde gemacht, und ohne daß Devalon wußte, warum, hatte er keinerlei Schwierigkeiten, Freiwillige zu finden, die die Bewachung von Francine Bidault übernahmen. Devalon war Adamsbergs nebulose Ermittlung vollkommen gleichgültig, für ihn war sie nichts weiter als ein Haufen albernes Zeug. Aber es kam nicht in Frage, daß dieser Typ, der bereits seine Ermittlungen zu Élisabeth Châtel und Pascaline

Weitere Kostenlose Bücher