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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Wälder?«
    »Das hat längst jemand für uns übernommen.«

54
    Adamsberg wartete im Regen, bis das Angelusläuten vom Kirchturm in Haroncourt zu ihm herüberdrang, und stieß die Tür zum Café auf. An diesem Sonntagabend traf er die komplette Gruppe der Männer an, die sich für die erste Runde versammelt hatten.
    »Béarner«, sagte Robert, ohne seine Überraschung zu zeigen, »trinkst du einen mit?«
    Ein kurzer Blick hinüber zu Angelbert bestätigte, daß der Gebirgsmensch noch immer willkommen war, obwohl er vor achtzehn Tagen ein Grab in Opportune-la-Haute aufgehackt hatte. Wie beim letztenmal machte man ihm links neben dem Alten Platz und schob ihm ein Glas hin.
    »Hast dich mächtig abgeplagt«, behauptete Angelbert und goß den Weißwein ein.
    »Ja, ich hatte allerhand Ärger, Bullenärger.«
    »So ist das Leben«, sagte Angelbert. »Robert ist Dachdecker, er hat Dachdeckerärger. Hilaire hat Metzgerärger, Oswald hat Landwirtsärger, und ich, ich hab Alte-Leute-Ärger. Glaub mir, viel besser ist das nicht. Trink was.«
    »Ich weiß, warum die beiden Frauen umgebracht wurden«, sagte Adamsberg und gehorchte, »und ich weiß auch, warum man ihre Gräber aufgebrochen hat.«
    »Dann bist du also zufrieden.«
    »Nicht wirklich«, sagte Adamsberg mit einer Grimasse. »Die Mörderin ist eine grausige Kreatur, und sie ist noch nicht fertig mit ihrer Arbeit.«
    »Aber sie wird sie zu Ende bringen«, sagte Oswald.
    »Das kannst du annehmen«, unterstrich Achille.
    »Ja, sie wird sie zu Ende bringen«, sagte Adamsberg. »Sie wird sie zu Ende bringen, indem sie eine dritte Jungfrau ermordet. Nach der suche ich. Und ich will, daß ihr mir dabei helft.«
    Adamsberg sah, wie sich alle Gesichter ihm zuwandten, überrascht von einer solch direkten Forderung.
    »Ich will dir ja nicht zu nahe treten, Béarner«, sagte Angelbert, »aber das ist doch irgendwie dein Bier.«
    »Und nicht unseres«, unterstrich Achille.
    »Doch. Denn es ist dieselbe Frau, die auch eure Hirsche massakriert hat.«
    »Ich hatte es euch doch gesagt«, flüsterte Oswald.
    »Und woher weißt du das?« fragte Hilaire.
    »Das ist seine Angelegenheit«, unterbrach Angelbert. »Wenn er sagt, daß er’s weiß, dann darum, weil er’s weiß, und damit fertig.«
    »Genau«, sagte Achille.
    »Jedes der beiden Opfer stand in Zusammenhang mit dem Tod eines Hirschs«, fuhr Adamsberg fort. »Genauer gesagt, mit dem Herzen eines Hirschs.«
    »Und was sie damit wollte, das soll einer wissen«, fragte Robert.
    »Sie wollte den Knochen, der sich darin befindet, herausholen, den Knochen in Form eines Kreuzes«, sagte Adamsberg, indem er alles auf eine Karte setzte.
    »Ist gut möglich«, meinte Oswald. »Genau das dachte auch Hermance. Sie hat so einen Knochen, die Hermance.«
    »Im Herzen?« fragte Achille, ein wenig erstaunt.
    »In der Schublade der Anrichte. Einen Knochen aus dem Herzen eines Hirschs.«
    »Ganz schön übergeschnappt, wenn einer heutzutage noch Hirschen das Kreuz rausholt«, sagte Angelbert. »Das ist doch Zeugs aus alten Zeiten.«
    »Immerhin gab es Könige in Frankreich, die so was sammelten«, sagte Robert. »Für eine stabile Gesundheit.«
    »Genau das hab ich doch gesagt, Zeugs aus alten Zeiten. Jetzt holt man sie nicht mehr raus.«
    Adamsberg trank sein Glas auf seine eigene Gesundheit aus und feierte innerlich die tatsächliche Existenz eines kreuzförmigen Knochens im Herzen der Hirsche.
    »Und du weißt, warum er das Kreuz herausholt, dein Mörder«, fragte Robert.
    »Ich sagte dir doch, es ist eine Frau.«
    »Jaja«, sagte Robert mit beleidigter Miene. »Aber du weißt, warum.«
    »Um dieses Kreuz mit den Haaren von Jungfrauen zu vermischen.«
    »Gut«, sagte Oswald. »Die ist nicht ganz richtig im Kopf. Bloß, wozu nützt ihr das, das soll einer wissen.«
    »Um eine Mixtur herzustellen, die das ewige Leben garantiert.«
    »Au, verdammt«, flüsterte Hilaire.
    »Einerseits ist so was nicht zu verachten«, meinte Angelbert, »andererseits läßt sich darüber streiten.«
    »Wieso läßt sich darüber streiten?«
    »Stell dir bloß mal vor, mein armer Hilaire, du müßtest ewig leben. Was würdest du mit deinen Tagen anfangen? Man wird sich ja wohl kaum hunderttausend Jahre lang einen hinter die Binde gießen, oder?«
    »Stimmt, das ist ganz schön lang«, bemerkte Achille.
    »Die nächste Frau«, fing Adamsberg wieder an, »wird sie umbringen, wenn sie den nächsten Hirsch getötet hat. Oder umgekehrt, ich weiß es nicht. Aber ich habe

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