Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
dafür, daß man eine Steinplatte weggerückt hat. Nur um den Leuten auf den Keks zu gehen.«
    Der Wärter kratzte sich ratlos den Bauch.
    »Sie haben also irgendwas anderes gemacht«, fuhr Adamsberg fort.
    »Hm, ich versteh nicht, was.«
    »Hm, wir werden sehen.«
    »Ja.«
    »Und dafür müssen wir die Grabplatte wegnehmen.«
    »Ja.«
    Veyrenc zog Retancourt ein wenig beiseite.
    »Warum hat der Kommissar zwei Uhren um?« fragte er.
    »Weil er auf amerikanische Zeit eingestellt ist?«
    »Weil er auf gar nichts eingestellt ist. Ich glaube, er hatte eine Uhr, und seine Freundin hat ihm noch eine geschenkt. Also hat er die auch umgemacht. Und jetzt hat er eben zwei Uhren, er kann nichts dafür.«
    »Weil er sich zwischen den beiden nicht entscheiden kann?«
    »Nein, ich glaube, es ist einfacher. Er besitzt zwei Uhren, also trägt er zwei Uhren.«
    »Verstehe.«
    »Du wirst es schnell begreifen.«
    »Außerdem ist mir nicht klar, wie er auf die Sache mit dem Friedhof gekommen ist. Wenn er schlief?«
    »Retancourt«, rief Adamsberg, »die Männer werden sich ausruhen. Ich komme mit einer Ablösung zurück, sobald ich Tom seiner Mutter wiedergegeben habe. Können Sie den Anschluß gewährleisten? Und sich um die Erlaubnis kümmern?«
    »Ich werde bei ihr bleiben«, schlug der Neue vor.
    »Ja, Veyrenc?« fragte er steif. »Glauben Sie, Sie können sich noch auf den Beinen halten?«
    »Sie etwa nicht?«
    Der Lieutenant hatte dabei kurz die Lider geschlossen, und Adamsberg ärgerte sich über sich selbst. Zusammenprall der Steinböcke im Gebirge, der Lieutenant fuhr sich durch sein seltsames Haar. Sogar nachts konnte man die rote Maserung darin gut erkennen.
    »Wir haben eine Menge Arbeit, Veyrenc, Drecksarbeit«, sagte Adamsberg leiser. »Es hat vierunddreißig Jahre gewartet, es wird auch noch ein paar Tage länger warten können. Ich schlage vor, wir versuchen einen Waffenstillstand.«
    Veyrenc schien zu zögern, stimmte dann aber schweigend zu.
    »Abgemacht«, sagte Adamsberg und entfernte sich. »In einer Stunde bin ich zurück.«
    »Worum geht’s hier eigentlich?« fragte Retancourt und folgte dem Kommissar.
    »Um einen Krieg«, antwortete Adamsberg schroff. »Einen Krieg zwischen den beiden Tälern. Misch dich da nicht ein.«
    Retancourt blieb verärgert stehen und kickte mit der Fußspitze Kiesel weg.
    »Einen schlimmen?« fragte sie.
    »Ziemlich.«
    »Was hat er getan?«
    »Wohl eher: Was wird er noch tun? Du magst ihn, nicht wahr, Violette? Aber stell dich nicht zwischen Baum und Borke. Eines Tages nämlich wirst du dich ganz gewiß entscheiden müssen. Entweder er oder ich.«

15
    Um zehn Uhr morgens war die Grabplatte hochgehoben, unter der eine Fläche aus glatter, festgedrückter Erde zum Vorschein kam. Der Wärter hatte die Wahrheit gesagt, der Boden war unberührt und gänzlich bedeckt mit Überbleibseln schwarz gewordener Rosen. Die Bullen, müde und enttäuscht, liefen hilflos drumherum. Was hätte der alte Angelbert angesichts dieses inneren Zusammenbruchs seiner Männer beschlossen? fragte sich Adamsberg.
    »Machen Sie trotzdem Aufnahmen davon«, sagte er zu dem sommersprossigen Fotografen, einem liebenswürdigen und begabten Burschen, dessen Namen er regelmäßig vergaß.
    »Barteneau«, flüsterte Danglard ihm zu, der es sich auch zur Aufgabe machte, den sozialen Defiziten des Kommissars entgegenzuwirken.
    »Barteneau, machen Sie Fotos. Auch von Nebensächlichkeiten.«
    »Ich hatte es Ihnen ja gesagt«, brummelte der Wärter mürrisch. »Sie haben nichts getan. Nicht mal das Loch einer Nadel.«
    »Da muß etwas sein«, erwiderte Adamsberg.
    Der Kommissar setzte sich im Schneidersitz auf die weggerückte Steinplatte, das Kinn auf die Arme gestützt. Retancourt ging ein Stück weg, lehnte sich an ein Grabmal und schloß die Augen.
    »Sie wird ein wenig schlafen«, erklärte der Kommissar dem Neuen. »Sie ist die einzige in der Brigade, die das kann, im Stehen schlafen. Einmal hat sie uns erklärt, wie sie’s anstellt, und alle haben es probiert. Mercadet hat es fast geschafft. Aber als er einschlief, ist er umgefallen.«
    »Das scheint mir normal«, flüsterte Veyrenc. »Und sie fällt nicht um?«
    »Eben nicht. Überzeugen Sie sich, sie schläft wirklich. Sie können laut sprechen. Nichts weckt sie auf, wenn sie es so bestimmt hat.«
    »Es ist eine Frage der Umwandlung«, erklärte Danglard. »Sie wandelt ihre Energie in alles um, was sie nur will.«
    »Was uns nicht den Schlüssel zum System liefert«,

Weitere Kostenlose Bücher