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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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fügte Adamsberg hinzu.
    »Kann ja auch sein, sie haben einfach nur draufgepinkelt«, überlegte Justin und setzte sich neben den Kommissar.
    »Auf Retancourt?«
    »Auf das Grab, verdammt.«
    »Das wäre allerhand Arbeit und allerhand Geld, nur um irgendwo draufzupinkeln.«
    »Natürlich, Pardon. Ich hab bloß so vor mich hin geredet, zur Entspannung.«
    »Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Voisenet.«
    »Justin«, berichtigte Justin ihn.
    »Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Justin.«
    »Im übrigen entspanne ich mich dadurch auch gar nicht sonderlich.«
    »Zum Entspannen taugen nur zwei Dinge wirklich. Lachen oder Sex. Weder das eine noch das andere machen wir hier gerade.«
    »Hab ich bemerkt.«
    »Und schlafen?« fragte Veyrenc. »Das entspannt nicht?«
    »Nein, Lieutenant, das ist erholsam. Was nicht dasselbe ist.«
    Die Mannschaft schwieg erneut, und der Wärter fragte, ob er die Örtlichkeiten endlich verlassen dürfe. Ja, er dürfe.
    »Wir sollten es nutzen, daß die Hebevorrichtung da ist, um die Steinplatte wieder an ihren Platz zu räumen«, schlug Danglard vor.
    »Nicht sofort«, sagte Adamsberg, das Kinn noch immer auf seine Arme gestützt. »Wir gucken noch mal. Wenn wir nichts finden, nehmen die Leute vom Drogendezernat sie uns heute abend weg.«
    »Wir werden doch nicht tagelang unter dem Vorwand hier bleiben, daß wir den Leuten vom Drogendezernat Widerstand leisten.«
    »Seine Mutter hat gesagt, daß er das Zeug nicht anrührte.«
    »Die Mütter«, gab Justin schulterzuckend von sich.
    »Sie entspannen sich zu sehr, Lieutenant. An die Mütter muß man glauben.«
    Ein Stück entfernt lief Veyrenc hin und her, wobei er gelegentlich neugierig zu Retancourt hinübersah, die tatsächlich fest schlief. Von Zeit zu Zeit redete er vor sich hin.
    »Danglard, versuchen Sie mitzubekommen, was der Neue da murmelt.«
    Der Commandant machte einen unauffälligen Spaziergang über die Wege und setzte sich wieder neben den Kommissar.
    »Wollen Sie es wirklich wissen?«
    »Das wird uns ein bißchen entspannen, da bin ich ganz sicher.«
    »Nun, der Neue murmelt dem Anlaß entsprechende Verse vor sich hin. Es beginnt mit ›O Erde‹.«
    »Und weiter?« fragte Adamsberg ein wenig mutlos.
    »›O Erde,
    Ich fleh dich an, jedoch, du hüllst in Schweigen dich.
    Was ist geschehn in jener Schreckensnacht, so sprich!
    Willst du nicht reden, oder ist mein Ohr zu schmal,
    daß ich nicht hör das Raunen deiner Seelenqual?‹
    Und so weiter, ich habe nicht alles behalten. Den Autor kenne ich nicht.«
    »Verständlich, es stammt ja auch von ihm. Er macht das, wie andere sich die Nase putzen.«
    »Seltsam«, sagte Danglard und runzelte seine hohe Stirn.
    »Es ist vor allem familienbedingt, wie alles Seltsame. Sagen Sie die Verse noch mal, Capitaine.«
    »Die sind nicht viel wert.«
    »Immerhin reimt es sich. Und mehr noch, es steckt ein Sinn darin. Sagen Sie’s noch mal.«
    Adamsberg hörte aufmerksam zu, dann stand er auf.
    »Er hat recht. Die Erde weiß etwas und wir nicht. Wir sind nicht imstande, es zu verstehen, und da liegt das Problem.«
    In Begleitung von Danglard und Justin kam der Kommissar an das aufgedeckte Grab zurück.
    »Und wenn da ein Ton zu hören ist und wir ihn nicht hören, dann nur deshalb, weil wir taub sind. Nicht die Erde ist stumm, sondern wir sind unfähig. Wir brauchen folglich einen Fachmann, einen Dolmetscher, einen Burschen, der den Gesang der Erde hören kann.«
    »Wie heißt so einer?« fragte Justin ziemlich ängstlich.
    »Archäologe«, sagte Adamsberg und holte sein Mobiltelefon heraus. »Oder Dreckdurchwühler, ganz wie Sie wollen.«
    »Haben Sie so einen im Angebot?«
    »Hab ich«, bestätigte Adamsberg und wählte eine Nummer. »Einen hervorragenden, einen Fachmann für …«
    Der Kommissar stockte und suchte nach dem Wort.
    »Flüchtige Spuren«, vervollständigte Danglard.
    »Das ist es. Man kann es gar nicht besser treffen.«
    Es war Vandoosler der Alte {4} , ein ehemaliger Bulle, zynisch und im Ruhestand, der abhob. Adamsberg erläuterte ihm kurz die Situation.
    »Blockiert, in die Enge getrieben, Ausweg versperrt, wenn ich recht verstehe?« sagte Vandoosler kichernd. »Ist das Tier etwa schon besiegt?«
    »Nein, Vandoosler, sonst würde ich ja nicht anrufen. Spielen Sie nicht zu sehr mit mir, ich habe heute keine Zeit.«
    »Sehr gut. Wen brauchen Sie? Marc?«
    »Nein, den Prähistoriker.«
    »Er ist im Keller, bei seinen Feuersteinen.«
    »Sagen Sie ihm, er soll in gestrecktem Galopp zu mir

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