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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Aber wenn du kommst, wird er hier sein. Er will dich auch sehen.«
    »Wieso?«
    »Weil seine Schwester ihn drum gebeten hat, wegen der Sache auf dem Friedhof. Im Grunde hat sie gar nicht so unrecht, denn die Bullen in Évreux sind einfach dämlich.«
    »Aber was denn für einer Sache, Robert?«
    »Stell nicht zu viele Fragen, Béarner.«
    Adamsberg sah auf seine Uhren. Gleich neunzehn Uhr.
    »Ich werde sehen, was sich machen läßt, Robert.«
    Der Kommissar steckte nachdenklich sein Telefon wieder weg. Veyrenc wartete noch immer.
    »Haben wir einen Notfall?«
    Adamsberg lehnte den Kopf gegen die Scheibe.
    »Wir haben nichts.«
    »Er sprach von einem aufgeschlitzten Bauch, einem zermatschten Herz.«
    »Bei einem Hirsch, Lieutenant! Sie haben da einen Kerl, der aus Spaß Hirsche umlegt, und das bringt sie ganz aus dem Häuschen.«
    »Ein Wilderer?«
    »Keineswegs, ein Hirschmörder. Sie haben auch einen Schatten, der da oben in der Normandie rumläuft.«
    »Das geht uns nichts an, oder doch?«
    »Nein, nicht im geringsten.«
    »Wieso fahren Sie dann hin?«
    »Aber ich fahr doch gar nicht hin, Veyrenc. Damit habe ich nichts zu schaffen.«
    »Ich hatte es so verstanden, daß Sie dorthin fahren wollten.«
    »Zu müde und kein Interesse«, sagte Adamsberg und öffnete seine Wagentür. »Ich würde bloß den Wagen zu Klump fahren und mich dazu. Ich rufe Robert später zurück.«
    Die Türen schlugen zu, Adamsberg schloß ab. Die beiden Männer trennten sich hundert Meter weiter vor der Brasserie der Philosophen.
    »Wenn Sie wollen«, sagte Veyrenc, »fahre ich, und Sie schlafen. Am späten Abend sind wir wieder zurück.«
    Adamsberg, zu keinem klaren Gedanken mehr fähig, betrachtete seine Wagenschlüssel, die er noch immer in der Hand hielt.

22
    Es regnete, als Adamsberg die Tür des Cafés in Haroncourt aufstieß. Angelbert war aufgestanden und begrüßte ihn etwas steif, gefolgt vom Clan der Männer.
    »Setz dich, Béarner«, sagte der Alte und gab ihm die Hand. »Wir haben dein Essen warm gehalten.«
    »Du bist zu zweit?« fragte Robert.
    Adamsberg stellte seinen Mitarbeiter vor, ein Ereignis, das zu erneutem Händeschütteln Anlaß gab, einem mißtrauischeren diesmal, und es wurde ein zusätzlicher Stuhl gebracht. Alle streiften mit einem flüchtigen Blick das Haar des Neuankömmlings. Hier jedoch stand nicht zu befürchten, daß eine Frage über dieses Phänomen gestellt würde, und war es noch so befremdlich. Was die Männer allerdings nicht davon abhielt, über die Absonderlichkeit nachzusinnen und nach einer Möglichkeit zu suchen, wie man ein wenig mehr über den Gesellen erfahren konnte, den der Kommissar da mitgebracht hatte. Angelbert betrachtete prüfend die grundlegenden Ähnlichkeiten zwischen den beiden Polizisten und zog seinen Schluß.
    »Dein Ander-Geschwisterkind«, sagte er, während er einschenkte.
    Allmählich verstand Adamsberg das scheinheilige und raffinierte Prinzip der Normannen, das darin bestand, eine Frage zu stellen, ohne daß man den Gesprächspartner zu fragen schien. Man senkte ganz einfach die Stimme am Satzende, wie bei einer vermeintlichen Behauptung.
    »Ein Ander-Geschwister?« fragte Adamsberg, der als Béarner direkte Fragen stellen durfte.
    »Entfernter verwandt als ein Vetter ersten Grades«, erklärte Hilaire. »Angelbert und ich sind Ander-Geschwister vierten Grades. Und er«, sagte er und zeigte auf Veyrenc, »ist dein Vetter sechsten oder siebten Grades.«
    »Vielleicht«, gab Adamsberg zu.
    »Auf jeden Fall stammt er aus deiner Ecke.«
    »Aus der Nähe, stimmt.«
    »Bei der Polizei gibt’s wohl nur Béarner«, fragte Alphonse, ohne zu fragen.
    »Vorher war ich der einzige.«
    »Veyrenc de Bilhc«, stellte der Neue sich vor.
    »Veyrenc«, vereinfachte Robert.
    Es wurde allseits genickt, was hieß, daß man Roberts Vorschlag annahm. Das Problem mit den Haaren erledigte sich dadurch allerdings nicht. Es würde Jahre erfordern, um das Rätsel aufzuklären, man würde geduldig sein. Man brachte einen zweiten Teller für den Neuen, und Angelbert wartete, bis die beiden Polizisten mit dem Essen fertig waren, um Robert mit einer Handbewegung aufzufordern, er möge zur Sache kommen. Feierlich breitete Robert die Fotos von dem Hirsch auf dem Tisch aus.
    »Er liegt nicht wie der andere da«, bemerkte Adamsberg, um ein Interesse in sich zu wecken, das er nicht spürte.
    Er war nicht einmal in der Lage, zu sagen, wieso er hier war, geschweige denn, wie Veyrenc begriffen hatte, daß er

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