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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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runzelte die Stirn.
    »Wer sind Sie, Binet?«
    »Binet, Robert Binet. Erinnerst du dich nicht, Herrgott noch mal?«
    »Nein, tut mir leid.«
    »Na Mensch, aus dem Café in Haroncourt.«
    »Klar, Robert, jetzt hab ich’s. Wie hast du meinen Namen rausgefunden?«
    »Übers Hôtel du Coq, Angelbert hatte die Idee. Er fand, man müsse es dir schleunigst sagen. Und wir fanden das auch. Es sei denn, es interessiert dich nicht«, sagte Robert plötzlich mürrisch.
    Schneller Rückzug des Normannen, wie eine Schnecke, deren Hörner man berührt.
    »Im Gegenteil, Robert. Was ist los?«
    »Es gab noch einen. Und da du gleich kapiert hattest, wie schlimm das ist, fanden wir, du solltest es unbedingt wissen.«
    »Noch einen was, Robert?«
    »Genauso zur Strecke gebracht, im Wald vom Champ de Vigorne, in der Nähe der alten Eisenbahnlinie.«
    Ein Hirsch, mein Gott. Robert rief ihn wegen eines Hirschs so dringlich in Paris an. Adamsberg seufzte müde, wobei er den dichten Verkehr im Auge behielt, die Ampellichter, die im Regen zerflossen. Er wollte Robert keinen Kummer bereiten, ebensowenig wie der Gemeinschaft der Männer, die ihn an jenem Abend empfangen hatten, als er Camille ziemlich schmerzbewegt begleitet hatte. Aber die Nächte seitdem waren kurz gewesen, er wollte einfach nur essen und schlafen. Er fuhr unter den Torbogen der Brigade und gab seinem Kollegen ein stummes Zeichen, daß die Sache keinerlei Bedeutung hatte und er nach Hause gehen könne. Doch Veyrenc, der in seinen wirren Gedanken festzustecken schien, rührte sich nicht.
    »Gib mir Einzelheiten, Robert«, sagte Adamsberg mit mechanischer Stimme und parkte im Hof. »Ich schreib’s auf«, fügte er an, ohne auch nur den Stummel eines Bleistifts hervorzuholen.
    »Wie ich schon sagte. Zur Strecke gebracht, ein regelrechtes Massaker.«
    »Was sagt Angelbert?«
    »Du weißt, Angelbert hat seine eigene Meinung dazu. Seiner Auffassung nach war es ein Junger, der im Alter ein schlechter Mensch geworden ist. Das Schlimme dabei ist, Béarner, daß der Kerl von Brétilly nun zu uns rübergekommen ist. Darum ist sich Angelbert nicht mehr sicher, ob es wirklich ein verfluchter Pariser war. Er sagt, es könnte auch ein verfluchter Normanne gewesen sein.«
    »Das Herz?« fragte Adamsberg, und Veyrenc runzelte die Stirn.
    »Rausgeholt, zur Seite geschmissen, zu Brei zerkloppt. Dasselbe, ich sag’s dir ja. Außer daß es ein Zehnender ist. Oswald sieht das nicht so. Er sagt, es sei ein Neuner. Nicht, daß Oswald nicht zählen könnte, aber er widerspricht den anderen eben gern. Wirst du dich drum kümmern?«
    »Ganz sicher, Robert«, log Adamsberg.
    »Kommst du her? Wir geben dir ein Abendbrot aus, wir warten auf dich. Was brauchst du für die Fahrt hierher? Anderthalb Stunden.«
    »Ich kann nicht, ich bin an einem Doppelmord dran.«
    »Na, wir doch auch, Béarner. Wenn das für dich kein Doppelmord ist, dann weiß ich nicht.«
    »Hast du die Gendarmerie verständigt?«
    »Die scheren sich ’n feuchten Kehricht darum, die Gendarmen. Dämlich, schlimmer als genudelte Gänse, die. Haben nicht mal ihren Arsch hierherbewegt und sich’s angeguckt.«
    »Und du, warst du dort?«
    »Diesmal ja. Der Champ de Vigorne, der ging uns ja was an, verstehst du.«
    »Und, ist es ein Neuner oder ein Zehner?«
    »Ein Zehner natürlich. Oswald redet Schwachsinn, macht einen auf Schlaumeier. Seine Mutter stammt aus Opportune, nur ein paar Schritte von der Stelle entfernt, wo sie den Hirsch gefunden haben. Kannst dir also denken, daß er’s ausnutzt, um sich wichtig zu machen. Ach Scheiße, trinkst du jetzt einen mit, oder trinkst du keinen mit? Ich werd hier nicht stundenlang rumquatschen.«
    Adamsberg suchte nach dem besten Weg, die Situation zu entschärfen, schwierig in Anbetracht des Umstands, daß es für Robert keinen Unterschied machte, ob zwei Männern die Kehle durchgeschnitten oder ein Hirsch erlegt worden war. In puncto Hartnäckigkeit schienen die Normannen – zumindest diese hier – mit den Béarnern mithalten zu können – zumindest mit manchen aus der Gegend des Gave de Pau und des Gave d’Ossau.
    »Ich kann nicht, Robert, ich habe einen Schatten.«
    »Oswald hat auch einen. Trotzdem trinkt er einen mit.«
    »Was hat er? Oswald?«
    »Einen Schatten, ich sag’s dir doch. Auf dem Friedhof in Opportune-la-Haute. Also eigentlich hat sein Neffe ihn gesehen. Über einen Monat geht er uns damit schon auf die Nerven.«
    »Gib mir Oswald.«
    »Kann ich nicht, er ist weggegangen.

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