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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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anvertraut, als man wissen will.«
    »Gibt es denn dort einen Hinweis auf sie?«
    »Nein, kein einziges Opfer in Westfrankreich, ausgenommen Rennes. Was nichts heißt. Sie war immer zwischen Dörfchen und Stadt unterwegs, blieb ein paar Monate, um schattengleich wieder zu verschwinden.«
    »Was ist das denn?« fragte Retancourt und zeigte auf die beiden großen Geweihstangen, die in Adamsbergs Büro auf dem Boden lagen.
    »Das ist eine Trophäe. Eines Abends hat man sie mir geschenkt, und ich hab sie abgetrennt.«
    »Ein Zehnender, immerhin«, meinte Retancourt anerkennend. »Aus welchem besonderen Anlaß?«
    »Weil man mich gebeten hatte, mir den Hirsch anzusehen, und ich hingefahren bin. Aber ich bin nicht sicher, ob man mich wirklich seinetwegen geholt hat. Er hieß der Große Rote.«
    »Wer?«
    »Er.«
    »Ein Köder? Um Sie auf den Friedhof von Opportune zu locken?«
    »Vielleicht.«
    Retancourt hob eine der Geweihstangen hoch, schätzte ihr Gewicht und stellte sie vorsichtig an ihren Platz zurück.
    »Man darf sie nicht voneinander trennen«, sagte sie.
    »Was haben Sie sonst noch dort zusammengetragen?«
    »Ich habe erfahren, daß im Schweinerüssel ein Knochen steckt.«
    Retancourt nahm die Neuigkeit kommentarlos hin und legte sich die Katze über die Schulter.
    »Er ist doppelt herzförmig«, fuhr Adamsberg fort. »Ich habe erfahren, daß man hysterische Zustände mit Heiligenreliquien behandeln und das ewige Leben erlangen kann und daß sich unter den Gebeinen des heiligen Hieronymus Schafsknochen befinden.«
    »Und was noch?« fragte Retancourt, die geduldig auf die wirklichen Informationen wartete, die sie interessierten.
    »Daß die beiden Männer, die das Grab von Pascaline Villemot aufgegraben haben, wahrscheinlich Diala und La Paille waren. Daß ein Stein aus der Kirchenmauer Pascaline den Schädel zertrümmert hat und daß drei Monate zuvor eine ihrer Katzen getötet, kastriert und in diesem Zustand vor ihrer Tür abgelegt wurde.«
    Plötzlich hob Adamsberg eine Hand, schlang seine Beine um den Fuß des Hockers und wählte eine Telefonnummer.
    »Oswald? Wußtest du, daß Pascalines Kater blutüberströmt vor ihrer Tür liegengelassen wurde?«
    »Narziß? Jeder in Opportune hat das gewußt. Er war berühmt für sein Gewicht. Mehr als elf Kilo, er hätte beinahe einen Regionalwettbewerb gewonnen. Aber das war schon im vorigen Jahr. Hermance hatte ihr einen neuen Kater geschenkt. Hermance hat Katzen sehr gern, sind ’ne saubere Sache, die.«
    »Weißt du, ob die anderen Katzen von Pascaline männliche Tiere waren?«
    »Alles Weibchen, Béarner, die Töchter von Narziß. Ist das wichtig?«
    Ein anderer Trick der Normannen, hatte Adamsberg festgestellt, bestand darin, eine Frage zu stellen und so zu tun, als wäre man an der Antwort nicht im geringsten interessiert. Was Oswald soeben getan hatte.
    »Ich habe mich gefragt, wieso derjenige, der Narziß umgebracht hat, sich die Mühe machte, ihn zu kastrieren.«
    »Da hast du dir aber schönen Blödsinn erzählen lassen. Narziß war schon eine ganze Weile vorher kastriert und schlief den ganzen Tag. Elf Kilo, so was kommt nicht von ungefähr.«
    »Bist du sicher?«
    »Natürlich, deswegen hat Hermance ihr ja auch einen vollständigen Kater ausgesucht, damit die Weibchen Junge kriegen.«
    Mit gekrauster Stirn wählte Adamsberg eine weitere Nummer, während Retancourt mit verärgerter Geste den Schuhbeutel wieder an sich nahm. Nach zwölfstündiger schwieriger Jagd hatte sie eine spektakuläre Verbindung zwischen der Krankenschwester und den Toten von La Chapelle aufgedeckt, doch der Kommissar schlenderte plötzlich ganz woanders, auf irgendwelchen Nebenwegen herum.
    »Müssen wir uns wirklich so dringend um die Eier von diesem Kater kümmern?« fragte sie schroff.
    Adamsberg bedeutete ihr, sie solle sich setzen, er hatte den Pfarrer von Le Mesnil am Apparat.
    »Oswald behauptet, Narziß sei bereits kastriert gewesen. Man kann ihm also unmöglich die Geschlechtsorgane abgeschnitten haben.«
    »Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, Kommissar. Pascaline hat mir den Kadaver in einer Kiste in die Kirche gebracht, ich sollte ihm meinen Segen erteilen. Ich habe lange mit ihr diskutiert, weil ich ihr das abschlagen mußte. Dem Kater war die Kehle durchgeschnitten worden, und seine Geschlechtsteile waren ein blutiger Brei. Was soll ich Ihnen noch sagen?«
    Adamsberg hörte einen kurzen Knall und fragte sich, ob der Pfarrer wohl gerade seine Hand über eine Fliege

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