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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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der Sorgenfalte auf Ihrer Stirn.«
    »Sind Sie zum Kolloquium zurück?«
    »Sehen Sie, schon wieder machen Sie sich Sorgen. Natürlich bin ich bis dahin zurück.«
    Adamsberg steckte die Hände in die Taschen und stieg die Steintreppe wieder hinauf. Danglard hatte nicht ganz unrecht. Zu welchem Zweck hatte er die Flußkiesel überhaupt gesammelt? Und welche Bedeutung schrieb er ihnen zu, er, der Freigeist, der nie auf einen abergläubischen Gedanken gekommen war? Die einzigen Augenblicke, in denen er an einen Gott dachte, waren die, in denen er sich selbst wie Gott fühlte. Gelegentlich kam das vor, wenn er allein unter einem heftigen Gewitter stand, wenn möglich nachts. Dann herrschte er über den Himmel, lenkte er den Blitz und ließ die Wolken brechen, dirigierte er die Musik der Sintflut. Anfälle, die etwas Erhebendes an sich hatten und einem für einen flüchtigen Augenblick die Illusion männlicher Stärke gaben. Adamsberg blieb plötzlich mitten auf der Fahrbahn stehen. Männliche Stärke, Manneskraft. Der Kater. Der Knochen im Rüssel. Das Reliquiengefäß. Sein Gedankenschwarm kehrte mit einem Schlag in die Voliere zurück.

32
    Die Beamten der Brigade waren dabei, im Konzilsaal die Stühle für das Kolloquium um 18 Uhr aufzustellen, als Adamsberg wortlos den großen Gemeinschaftsraum durchquerte. Danglard sah flüchtig zu ihm hin, und an dem Glanz, der unter seiner Haut als schmelzflüssiger Stoff floß, erkannte er, daß etwas Außerordentliches geschehen war.
    »Was ist los?« fragte Veyrenc.
    »Ihm ist was eingefallen an der frischen Luft«, erklärte Danglard, »draußen bei den Möwen. So eine Art Vogelschiß, der auf ihn drauffällt, ein Flügelschlag zwischen Himmel und Erde.«
    Bewundernd nickte Veyrenc Adamsberg zu, was Danglards Verdacht einen Augenblick lang ins Wanken brachte. Doch sogleich korrigierte der Commandant diesen Eindruck auch wieder. Seinen Feind bewundern heißt nicht, daß er darum weniger Feind ist, im Gegenteil. Danglard blieb überzeugt davon, daß Veyrenc in Adamsberg ein erstklassiges Opfer gefunden hatte, einen Gegner von Format, einst kleiner Chef im Schatten eines Nußbaums, heute Chef der Brigade criminelle.
    Adamsberg eröffnete die Sitzung, indem er an alle die äußerst beklemmenden Fotos von der Exhumierung in Opportune verteilte. Seine Gesten waren sparsam und konzentriert, und jeder begriff, daß die Ermittlungen eine entscheidende Wende genommen hatten. Nur selten bürdete ihnen der Kommissar am Ende eines Tages noch ein Kolloquium auf.
    »Uns fehlten die Opfer, der Mörder sowie das Motiv. Alle drei haben wir jetzt.«
    Adamsberg strich sich mit beiden Händen über die Wangen und überlegte, wie er fortfahren sollte. Er faßte nicht gern zusammen, er konnte es nicht. Commandant Danglard unterstützte ihn stets bei dieser Aufgabe, ungefähr so, wie der Unterstreicher im Dorf es tat, indem er ihm bei den Übergängen, den Wendungen, den Wiederholungen half.
    »Die Opfer«, schlug Danglard vor.
    »Élisabeth Châtel und Pascaline Villemot sind nicht verunglückt. Sie wurden ermordet. Den Beweis dafür hat Retancourt heute nachmittag aus der Gendarmerie in Évreux mitgebracht. Der Stein, der angeblich von der Südwand der Kirche auf Pascalines Schädel heruntergefallen ist, lag seit mindestens zwei Monaten am Boden. Während er im Gras lag, haben sich auf der einen Seite schwärzliche Flechten gebildet.«
    »Nun wird der Stein aber kaum von allein auf den Kopf der Frau gesprungen sein«, sagte Estalère, der aufmerksam zuhörte.
    »Das ist richtig, Brigadier. Man hat ihr den Kopf damit zertrümmert. Woraus wir schließen können, daß das Auto von Élisabeth manipuliert worden ist, was wiederum ihren tödlichen Unfall auf der Nationalstraße verursacht hat.«
    »Da wird Devalon ja nicht gerade erfreut sein«, bemerkte Mercadet. »So was nennt man in Ermittlungen reinpfuschen.«
    Danglard lächelte, während er auf seinem Bleistift herumkaute, es befriedigte ihn, daß Devalons streitsüchtige Nachlässigkeit ihn geradewegs in den Schlamassel geführt hatte.
    »Wie kommt es, daß Devalon nicht daran gedacht hat, den Stein untersuchen zu lassen?« fragte Voisenet.
    »Weil er den Einheimischen zufolge beschränkt ist wie eine Gans«, erklärte Adamsberg. »Und auch, weil Pascaline Villemot nicht den geringsten Grund hatte, ermordet zu werden.«
    »Wie haben Sie ihr Grab ausfindig gemacht?« fragte Maurel.
    »Scheinbar durch Zufall.«
    »Unmöglich.«
    »In der Tat. Ich

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