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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Danglard, erklären Sie die Sache mit dem Knochen.«
    Der Commandant wiederholte seine Lektion über die Penisknochen, die Fleischfresser, die Schleichkatzen und Marderartigen.
    »Wer von Ihnen wußte das noch?« fragte Adamsberg.
    Nur Voisenets und Veyrencs Hände hoben sich.
    »Voisenet, ich verstehe, Sie sind Zoologe. Aber Sie, Veyrenc, woher haben Sie es?«
    »Von meinem Großvater. Als er jung war, ist im Tal ein Bär erlegt worden. Sein abgezogenes Fell wurde von Dorf zu Dorf geschleppt. Den Penisknochen hat mein Großvater behalten. Er sagte immer, man dürfe ihn weder verlieren noch verkaufen, unter gar keinen Umständen.«
    »Haben Sie ihn noch?«
    »Ja. Dort bei mir zu Hause.«
    »Und wissen Sie, warum Ihr Großvater so daran hing?«
    »Er meinte, der Knochen halte das Haus aufrecht und beschütze die Familie.«
    »Wie groß ist denn so ein Katerpenisknochen?« fragte Mordent.
    »Ungefähr so«, sagte Danglard und zeigte mit den Fingern einen Abstand von zwei bis drei Zentimetern.
    »So was hält kein Haus aufrecht«, bemerkte Justin.
    »Es ist symbolisch gemeint«, sagte Mordent.
    »Kann ich mir denken«, sagte Justin.
    Adamsberg schüttelte den Kopf, ohne die Haare zurückzustreichen, die ihm dabei über die Augen fielen.
    »Ich glaube, dieser Katerknochen hat einen ganz bestimmten Wert für diejenige, die ihn mitgenommen hat. Ich glaube, es geht um das männliche Prinzip.«
    »Ein Wert, der das genaue Gegenteil von dem der Jungfrauen ist«, wandte Mordent ein.
    »Alles hängt davon ab, wonach sie sucht«, sagte Voisenet.
    »Sie sucht nach dem ewigen Leben«, sagte Adamsberg.
    »Das ist ihr Motiv.«
    »Begreife ich nicht«, meinte Estalère nach einer Pause.
    Und diesmal entsprach das, was Estalère nicht begriff, dem Unverständnis aller.
    »Im selben Zeitraum, in dem der Kater verstümmelt wurde«, erklärte Adamsberg, »wurde auch das Reliquiengefäß in der Kirche in Le Mesnil geplündert, ein paar Kilometer von Opportune und Villeneuve entfernt. Oswald hatte recht, das ist zuviel für eine einzige Gegend. Der Plünderer hat nur die vier Menschenknochen des heiligen Hieronymus aus dem Reliquiengefäß gestohlen und einen Schweinerüsselknochen sowie ein paar Schafsknochen darin liegengelassen.«
    »Ein Kenner«, machte Danglard die Runde aufmerksam.
    »Einen Schweinerüsselknochen erkennt man nicht so leicht.«
    »Schweine haben einen Knochen im Rüssel?«
    »Sieht so aus, Estalère.«
    »Ebenso ist es nicht selbstverständlich, daß man weiß, daß Kater einen Penisknochen besitzen. Wir haben es also tatsächlich mit einer Kennerin zu tun.«
    »Ich sehe keinen Zusammenhang«, sagte Froissy, »zwischen den Reliquien, dem Kater und den Grabstätten. Außer, daß in allen drei Fällen Knochen vorkommen.«
    »Was schon mal gar nicht so schlecht ist«, sagte Adamsberg. »Heiligenreliquien, Männlichkeitsreliquien, Jungfrauenreliquien. Im Pfarrhaus in Le Mesnil liegt, ganz in der Nähe des heiligen Hieronymus, für alle gut sichtbar ein sehr altes Buch, in dem sich diese drei Bestandteile in einer Art Kochrezept wiederfinden.«
    »Eher eine Medikation, ein Heilmittel«, stellte Danglard richtig.
    »Zu welchem Gebrauch?« fragte Mordent.
    »Um das ewige Leben herzustellen, mit einem Haufen Zeugs. Beim Pfarrer ist das Buch auf der Seite mit diesem Rezept aufgeschlagen. Er ist sehr stolz darauf, ich glaube, er zeigt es jedem Besucher. Genau wie sein Vorgänger, Pater Raymond. Das Rezept muß in einem Umkreis von dreißig Gemeinden und seit mehreren Generationen bekannt sein.«
    »Woanders nicht?«
    »Doch«, sagte Danglard. »Das Werk ist berühmt, und vor allem für diese Medikation. Es handelt sich um das De sanctis reliquis, in seiner Ausgabe von 1663.«
    »Kenne ich nicht«, sagte Estalère.
    Und das, was Estalère nicht kannte, entsprach der Unkenntnis aller.
    »Ich hätte nicht gern das ewige Leben«, bemerkte Retancourt leise.
    »Nein?« sagte Veyrenc.
    »Stell dir mal vor, man würde ewig leben. Dann könnte man sich nur noch auf den Boden legen und vor Langeweile umkommen«, sagte Retancourt.
    »So freun wir uns, Madame.
    Sie eilt zwar sommerkurz dahin, die Lebenszeit, doch grausamer könnt’ sein ein Quentchen Ewigkeit.«
    »Das kann man wohl sagen«, Retancourt gab ihm recht.
    »Es würde sich also lohnen, dieses Buch zu analysieren, ist das so?« sagte Mordent.
    »Ich glaube ja«, entgegnete Adamsberg. »Veyrenc erinnert sich an den Wortlaut des Rezepts.«
    »Der Medikation«, korrigierte

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