Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
glaube, man hat mich absichtlich zum Friedhof von Opportune geführt. Der Mörder weist uns den Weg, während er genau weiß, daß er uns sehr weit voraus ist.«
    »Wie das?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Die Opfer«, schaltete Danglard sich ein. »Pascaline und Élisabeth.«
    »Sie waren ungefähr gleich alt. Sie führten ein Leben ohne Ausschweifungen und ohne Männer, sie waren beide Jungfrauen. Pascalines Grab hat dasselbe Schicksal ereilt wie das in Montrouge. Der Sarg wurde aufgebrochen, die Leiche aber nicht angerührt.«
    »Ist die Jungfräulichkeit das Motiv für die Morde?« fragte Lamarre.
    »Nein, sie ist das Auswahlkriterium für die Opfer, nicht das Motiv.«
    »Das verstehe ich nicht«, meinte Lamarre und runzelte die Stirn. »Sie bringt Jungfrauen um, aber ihr Ziel ist es nicht, Jungfrauen umzubringen?«
    Dieser Einwurf hatte gereicht, um Adamsbergs Konzentration zu erschüttern; mit einer Handbewegung übergab er das Weitere an Danglard.
    »Sie erinnern sich an die Schlußfolgerungen der Gerichtsmedizinerin«, sagte der Commandant. »Diala und La Paille sind von einer Frau beseitigt worden, ungefähr 1,62 Meter groß, konventionelles Äußeres, Perfektionistin, eine, die mit Spritzen umgehen kann, ihr Skalpell richtig anzusetzen weiß und blaue Lederschuhe trägt. Diese Schuhe waren unter der Sohle gewichst, ein Hinweis auf eine mögliche dissoziative Störung, zumindest aber auf den Willen, die Verbindung zwischen sich und dem Boden ihrer Verbrechen zu kappen. Claire Langevin, die Todesengel-Krankenschwester, weist alle diese Merkmale auf.«
    Adamsberg hatte sein Notizheft geöffnet, ohne etwas aufzuschreiben. Während er vor sich hin zeichnete, hörte er der Zusammenfassung von Danglard zu, der seiner Meinung nach einen besseren Brigadechef abgegeben hätte als er.
    »Retancourt hat Schuhe mitgebracht, die ihr mal gehört haben«, fügte Danglard hinzu. »Sie sind aus blauem Leder. Das reicht nicht aus für eine Gewißheit, aber wir engen die Nachforschungen über die Krankenschwester weiter ein.«
    »Retancourt schafft einfach alles heran«, bemerkte Veyrenc leise.
    »Sie wandelt ihre Energie um«, erklärte Estalère entschieden.
    »Dieser Todesengel ist ein Hirngespinst«, sagte Mordent schlechtgelaunt. »Niemand hat gesehen, wie sie mit Diala oder La Paille auf dem Flohmarkt geredet hätte. Sie ist unsichtbar, ungreifbar.«
    »Genauso ist sie ihr ganzes Leben lang vorgegangen«, sagte Adamsberg. »Wie ein Schatten.«
    »Das haut nicht hin«, fuhr Mordent fort und schob seinen langen Reiherhals aus dem grauen Pullover. »Diese Frau hat dreiunddreißig alte Leute umgebracht, immer auf die gleiche Weise, ohne jemals etwas daran zu ändern. Und plötzlich verwandelt sie sich in eine andere Art von Irrer, fängt an, Jungfrauen zu suchen, Gräber aufzubrechen und zwei Kerlen die Kehle durchzuschneiden. Nein, das haut nicht hin. Man tauscht kein Quadrat gegen einen Kreis, man ersetzt keine Greisenkillerin durch eine wüste Nekrophile, Schuhe hin oder her.«
    »Stimmt, es haut absolut nicht hin«, Adamsberg gab ihm recht. »Es sei denn, irgendwas hat sie derart erschüttert, daß ein zweiter Krater im Vulkan aufgerissen ist. Die Lava des Wahns würde dann auf einer anderen Seite und auf veränderte Weise herabfließen. Dazu kann ihr Aufenthalt im Gefängnis erheblich beigetragen haben oder auch die Tatsache, daß Alpha sich der Existenz von Omega bewußt geworden ist.«
    »Ich weiß, was Alpha und Omega sind«, unterbrach Estalère lebhaft. »Das sind die beiden Hälften eines dissoziierten Mörders, zu beiden Seiten seiner Wand.«
    »Der Todesengel ist eine Dissoziierte. Durch ihre Festnahme ist die innere Wand womöglich eingerissen worden. Angesichts einer solchen Katastrophe ist jegliche Verhaltensänderung denkbar.«
    »Doch selbst wenn«, sagte Mordent. »Es erklärt uns nicht, was sie mit ihren Jungfrauen will, und auch nicht, was sie in deren Gräbern macht.«
    »Genau das ist der Abgrund«, sagte Adamsberg. »Und um ihn zu erreichen, können wir nur stromabwärts anfangen, wo noch ein bißchen Geröll von ihren Verbrechen herumliegt. Pascaline hatte vier Katzen. Drei Monate vor ihrem Tod ist eine von ihnen getötet worden, und zwar das einzige männliche Tier der Gruppe.«
    »Eine erste Drohung gegen Pascaline?« fragte Justin.
    »Ich glaube nicht. Man hat ihn getötet, um an seine Geschlechtsteile heranzukommen. Da der Kater bereits kastriert war, hat man ihm also das Glied abgeschnitten.

Weitere Kostenlose Bücher