Die dritte Jungfrau
Katers aus derselben Gegend verbinden.«
»Nun gut«, meinte Mordent. »Und weiter, Veyrenc?«
»… und solches, mit dem Wein des Jahres verrührt, wird sein Haupt zu Boden zwingen. «
»Mit Wein«, sagte Lamarre, »läßt sich das Ganze besser schlucken.«
»Und er ist auch das Blut.«
»Das Blut Christi. Hier schließt sich der Kreis.«
»Wieso ›des Jahres‹?«
»Weil Wein früher nicht gelagert wurde«, erklärte Danglard, »es war immer der aus dem jeweiligen Jahr. Das entspricht unserem heurigen Wein.«
»Was bleibt noch übrig?«
» … wird sein Haupt zu Boden zwingen. «
»Im Sinne von ›Kopf‹«, sagte Danglard. »Und solches wird seinen Kopf zu Boden zwingen, oder auch: wird seinen Kopf rollen lassen.«
»Ihn besiegen«, faßte Mordent zusammen. »Den Tod besiegen, nehme ich an, den Totenkopf.«
»So daß«, schloß Mercadet, indem er seine Notizen überflog, »die Mörderin alle Bestandteile zusammen hat: das Lebendige von Jungfrauen, was auch immer das sei, Heiligenreliquien sowie einen Katerknochen. Fehlt ihr vielleicht noch das Kreuz. Nun muß sie bloß noch den heurigen Wein abwarten und das Ganze schlucken.«
Nach diesen Worten wurden mehrere Gläser ausgetrunken; das Kolloquium schien beendet. Doch Adamsberg rührte sich nicht, und niemand wagte es, zu gehen. Man wußte nicht, ob der Kommissar, die Wange in die Hand gestützt, sich auf ein Nickerchen einstellte oder ob er die Sitzung beenden würde. Danglard wollte ihn gerade mit dem Ellbogen anstoßen, als er an die Oberfläche zurückkam, wie ein Schwamm.
»Ich glaube, daß eine dritte Frau ermordet werden wird«, sagte er, die Hand noch immer an der Wange. »Ich glaube, wir sollten einen Kaffee bestellen.«
33
» Mit dem Lebendigen von Jungfrauen, angesetzt zu drei gleichen Teilen «, sagte Adamsberg. » Drei. Darauf müssen wir achten.«
»Das ist die Dosierung«, sagte Mordent. »Drei Prisen zerkleinerter Heiligenknochen, also drei Prisen Penisknochen, dann drei Prisen vom Holz des Kreuzes Christi und drei von der Jungfrauen-Substanz.«
»Ich glaube nicht, Commandant. Wir haben bereits zwei ausgegrabene Jungfrauen. Was auch immer man von ihren Leichen wollte, für drei Prisen hätte eine einzige wohl ausgereicht. Ebenso hätte es gereicht, wenn man geschrieben hätte zu gleichen Teilen. Aber das Rezept sagt eindeutig: drei. «
»Na, drei Prisen eben.«
»Nein, drei Jungfrauen. Drei Prisen von drei Jungfrauen.«
»Mit dieser Art Logik darf man da nicht rangehen. Es ist ein Rezept und zugleich eine Art Gedicht.«
»Nein«, sagte Adamsberg. »Nur weil die Sprache uns schwierig erscheint, ist es nicht gleich ein Gedicht. Es ist ein altes Buch mit Rezepten, weiter nichts.«
»Das ist richtig«, sagte Danglard, den die Lässigkeit, mit der Adamsberg das De reliquis behandelte, dennoch ein wenig schockierte. »Es ist lediglich eine Abhandlung über Heilverfahren. Sie will nicht verschlüsselt erscheinen, sondern verstanden werden.«
»Also, dann war wohl alles Quatsch«, sagte Justin.
»Nicht ganz«, sagte Adamsberg. »Man darf nur kein Wort überlesen. Wie bei normalen Kochrezepten kommt es auch bei diesem makabren Gebräu auf jedes einzelne Wort an. Angesetzt zu drei gleichen Teilen. Genau da liegt die Gefahr. Da liegt unsere Arbeit.«
»Wo?« fragte Estalère.
»Bei der dritten Jungfrau.«
»Sehr gut möglich«, gab Danglard zu.
»Wir suchen nach ihr«, sagte Adamsberg.
»Ja?« sagte Mercadet und hob den Kopf.
Lieutenant Mercadet machte sich einen Haufen Notizen, wie jedesmal, wenn er hellwach war und die Stunden, in denen er nichts getan hatte, durch intensive Fleißarbeit aufholte.
»Zunächst versuchen wir in Erfahrung zu bringen, ob eine Jungfrau aus der Haute-Normandie vor kurzem scheinbar tödlich verunglückt ist.«
»Wie groß ist denn unserer Meinung nach der Wirkungsbereich des Heiligen?« fragte Retancourt.
»Am besten beschränken wir unsere Suche auf ein Gebiet von fünfzig Kilometern im Umkreis von Le Mesnil-Beauchamp.«
»Siebentausendachthundertfünfzig Quadratkilometer«, rechnete Mercadet rasch aus. »Wie alt könnte das Opfer sein?«
»Symbolisch gesehen«, antwortete Danglard, »läge die Untergrenze bei einem Alter von fünfundzwanzig Jahren. So alt war die heilige Catherine, und von da an sprach man bei Erwachsenen von Jungfräulichkeit. Die Obergrenze könnten wir bei Vierzig festlegen. Darüber hinaus galten Männer und Frauen als alte Leute.«
»Das sind zu viele«, meinte
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