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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Fläschchen, das Camille ihm anvertraut hatte. Entgegen seinem Versprechen hatte er nicht daran gedacht, dem Kind seine Nasentropfen zu geben.
    »Stellen Sie’s auf Abhören ein, und senden Sie mir den Empfang nach Hause.«
    »Ich muß über das Gerät in der Brigade gehen und von dort aus zu Ihnen übertragen.«
    »Wo wird dieser Sender in der Brigade stehen?«
    »In meinem Schrank.«
    »In Ihrem Vorratsschrank stöbern alle herum, Froissy.«
    »Ich rede von dem anderen Vorratsschrank, links neben dem Fenster. Der ist abgeschlossen.«
    »Der erste ist also nur ein Ablenkungsmanöver«, sagte Adamsberg. »Was legen Sie dann in den echten?«
    »Lokum, das direkt aus dem Libanon kommt. Ich werde Ihnen den Zweitschlüssel geben.«
    »Abgemacht. Hier sind meine Hausschlüssel. Installieren Sie die Anlage im Schlafzimmer, im oberen Stock, weit weg vom Fenster.«
    »Selbstverständlich.«
    »Ich brauche nicht nur den Ton. Ich brauche auch einen Bildschirm, um verfolgen zu können, wohin er geht.«
    »Große Reichweite?«
    »Vielleicht.«
    Er mußte wissen, ob Veyrenc Camille irgendwohin mitnahm. Ein Wochenendausflug, ein Gasthof im Wald, und das Kind, wie es zu ihren Füßen im Gras spielte. Das, niemals! Dieser verfluchte Dreckskerl von Béarner würde ihm Tom nicht wegnehmen.
    »Ist das wichtig, zu wissen, wo er hingeht?«
    »Es ist entscheidend.«
    »Dann müssen wir noch größere Sicherheit haben als allein durch sein Handy. Wir befestigen ein GPS unter seinem Auto. Auch eine Wanze? Im Auto?«
    »Wenn wir schon mal dabei sind. Wie lange werden Sie dafür brauchen?«
    »Um siebzehn Uhr ist alles fertig.«

36
    Um sechzehn Uhr vierzig stellte Hélène Froissy in Adamsbergs Schlafzimmer die letzten Feinheiten für einen guten Empfang ein. Sie konnte Veyrencs Stimme schon gut verstehen, allerdings wurde sie noch gestört durch die seiner Kollegen drum herum, das Geschurre der Stuhlbeine, durch Schritte und das Knistern von Papier. Die Leistung des Empfangsgeräts war zu hoch eingestellt, es war unnötig, daß die Reichweite des Mobiltelefons fünf Meter überschritt. Das reichte vollkommen aus, um die Fläche von Veyrencs Einraumwohnung abzudecken, so konnte sie auch einen Großteil der Störungen ausschalten.
    Jetzt drangen Veyrencs Worte klar und deutlich zu ihr. Er redete mit Retancourt und Justin. Froissy hörte der leichten, gedämpften Stimme des Lieutenant eine Weile zu, wobei sie die störenden Hintergrundgeräusche noch weiter regulierte. Veyrenc setzte sich an seinen Schreibtisch. Sie hörte das Klacken seiner Tastatur und dann Worte, die er vor sich hin sprach. » In welcher Höhle ist noch Platz für meinen Schmerz. « Mißlaunig blickte Froissy auf das Abhörgerät, diese Teufelsvorrichtung, die Veyrencs Nöte nun rückhaltlos in Adamsbergs Zimmer spuckte. Es lag etwas Gewalttätiges in dieser Apparatur, die auf Veyrenc angesetzt war. Sie zögerte, die Anlage einzuschalten, kippte dann aber, einen nach dem andern, die Schalter herunter. Ein Kampf zwischen Ungeheuern, dachte sie und schloß die Tür, an dem sie, voll verantwortlich, nun auch beteiligt war.

37
    Am Montag, dem 4. April, heftete Danglard im Konzilsaal eine Karte vom Departement Eure an die Wand. In der Hand hielt er eine Liste der neunundzwanzig mutmaßlichen Jungfrauen, die zwischen dreißig und vierzig Jahre alt waren und in einem Umkreis von zwanzig Kilometern um Le Mesnil-Beauchamp wohnten. Ihre Adressen waren in einem Register erfaßt worden, und nun markierte Justin ihre Wohnorte mit roten Stecknadeln.
    »Du hättest weiße Stecknadeln nehmen sollen«, sagte Voisenet.
    »Leck mich am Arsch«, sagte Justin. »Ich hab keine.«
    Die Männer waren müde. Eine Woche lang hatten sie Dateien durchsucht und das Gebiet von Pfarrei zu Pfarrei durchkämmt. Eines zumindest schien festzustehen: Keine weitere Frau, die ihren Kriterien entsprach, war in den vergangenen Monaten tödlich verunglückt. Die dritte Jungfrau war folglich noch am Leben. Diese Gewißheit lastete ebenso schwer auf dem Gemüt der Beamten wie ihr Zweifel am Sinn der Ermittlungen ihres Kommissars. Deren Grundlage selbst wurde in Frage gestellt, das heißt der Zusammenhang zwischen den Grabschändungen und dem Rezept aus dem De reliquis. Die Opposition hatte sich in mehrere Lager gespalten. Die Härtesten, die Ultras, meinten, daß Moosspuren auf einem Stein kein Beweis für einen Mord seien. Und daß Adamsbergs Gedankengebäude unter einem bestimmten Blickwinkel genauso trügerisch

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