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Die dritte Klaue Gottes: SF-Thriller

Titel: Die dritte Klaue Gottes: SF-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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anderenfalls würde irgendjemand sie schnappen und zu den Leuten zurückschicken, die Ihren Kopf auf einen Speer stecken wollen. Ist nicht böse gemeint, aber so sieht die Sache doch im Großen und Ganzen aus, richtig?«
    Ich hatte immer noch keine Ahnung, wohin das führen sollte. »Ja.«
    »Also sind Sie in den nächsten paar Jahren von einem System zum nächsten gesaust, immer als Dip-Corps-Mitarbeiterin. Und Sie haben sich in juristischen Kreisen einen Namen gemacht, aber wegen all der Gruppen, die Sie am liebsten in einen Sack stecken und den Bocai übergeben wollten, mussten Sie sich ständig mit politischem Mist herumschlagen. Ist das auch richtig?«
    »Läuft das irgendwann auf eine Frage hinaus?«
    Und da öffnete er die Falltür unter meinen Füßen und überließ mich der Erkenntnis, wie viel von meinem Leben auf einer Lüge basierte.
    »Wie kommt es, dass irgendjemand wusste, dass Sie eine Kriegsverbrecherin sind?«
    Mehrere Sekunden vergingen, bis ich mein Herz wieder schlagen spürte. »Wie bitte?«
    »Was denn«, sagte er, »denken Sie, Sie hätten mit zwanzig noch genauso ausgesehen wie mit acht? Ich meine, das Dip Corps hätte Ihren Namen ändern können, Ihre Hautpigmentierung, Ihre Nase, vielleicht auch Ihre Haarfarbe und ein paar andere Äußerlichkeiten, dann hätten Sie eine neue Personaldatei und einen falschen Lebenslauf anlegen können, und niemand außer Ihren Vorgesetzten hätte je erfahren, dass Sie dieses Kind waren.«
    Ein Geräusch brandete im Raum auf. Es befand sich zwischen meinen Ohren und brannte in meiner Magengrube, zerschlug die Knochen meiner Wirbelsäule zu Staub. Es war das Geräusch der sich bildenden Risse in jeder Vorstellung, die ich je gehabt hatte; das Geräusch, mit dem das Gerüst aller zukünftigen Vorstellungen, die folgen würden, sich neigte, anfing hin und her zu schwanken und dann einzustürzen. Ich fühlte, wie sich der Raum am Rand meines Blickfelds rot verfärbte, wollte nicht, dass Pescziuwicz fortfuhr, denn nun, nachdem er mich so weit gebracht hatte, brauchte ich seine Hilfe nicht, um auch noch den Rest des Weges zurückzulegen.
    Aber er sprach weiter, und jedes Wort aus seinem Mund war ein weiterer Nagel, der sich in mein Hirn bohrte. »Stattdessen haben sie Sie als Andrea Cort arbeiten lassen, die erwachsen gewordene kindliche Kriegsverbrecherin, die bereit war, all die siebenhundert Geschmacksrichtungen von Scheiße zu kosten und hinunterzuschlucken - und das allein aufgrund der Propagandawaffe, die sie gerade all den Alienmächten zur Verfügung gestellt hatten, denen daran gelegen war, die Menschheit als ein Rudel mörderischer Dreckskerle hinzustellen, die ihresgleichen mit einem Mord davonkommen lassen.«
    Ich schloss die Augen, wünschte verzweifelt, ich könnte ihn zum Schweigen bringen, hasste die Art und Weise, in der seine Stimme darauf beharrte, sich über das lautstarke Pochen meines Herzens Gehör zu verschaffen.
    »Warum haben die sich das angetan?«, fragte er.
    Aufhören, dachte ich.
    »Warum haben die Ihnen das angetan?«
    Bitte, aufhören.
    »Und warum haben Sie es zugelassen?«
    Meine Augen drehten sich nach innen, und die Finsternis in den Ecken des Raums verschlang mich in einem Stück.

6
NOTHALT
 
    Da gab es einen Ort, an dem ich schon viele Male war.
    Es war ein Ort ohne Ecken und Kanten. Er glühte in einem sanften, blauen Licht, das keine Schatten entstehen ließ. Jeder, der diesen Ort betrat, existierte im freien Fall. Aber angesichts der Anwesenheit einer Atmosphäre und von ausreichend Wärme, um Leben zu erhalten, hätte dies das Universum selbst sein können, bevor der Urknall es mit Staub und Schutt und den molekularen Vorfahren von Trotteln und Bürokraten verunreinigt hat.
    Ich taumelte ins Zentrum des Abgrunds, immer noch in dem schwarzen Anzug, den ich beim Dinner in der Königlichen Kutsche der Bettelhines getragen hatte. Meine ungeschützten Hände sahen in dem blauen Farbton der einzig verfügbaren Beleuchtung zyanotisch aus.
    Beim ersten Mal hatte ich diesen Ort als echten, physikalisch existenten Platz auf der Raumstation One One One erlebt: eine Kammer, die die KIquellen zu dem Zweck erbaut hatten, die Menschen einzuschüchtern, die mit Fragen oder Petitionen an sie herantreten wollten. Jeder Mensch, der diesen Raum betrat, war gezwungen, in einer scheinbar endlosen Leere zu schweben, während er sich bemühte so zu tun, als hätten menschliche Belange irgendeine Relevanz für die immateriellen, unvorstellbar

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