Die dritte Sünde (German Edition)
da so Interessantes, Rosie?«, hörte er Cathys Stimme freundlich von innen rufen. Sie klang ganz anders als früher, freier und kräftiger und dennoch sanft. Ein Schauer der Erwartung durchrann ihn, als er auf das Haus zuging. Da erschien auch Cathy in der Tür.
»Guten Tag, Aaron!«, sagte sie, legte ihre Hand auf den lockigen Kopf des Kindes und sah ihn freundlich an. Augenblicklich schwand die ungute Beklemmung, die er empfand. Da war nichts von Abscheu, von Misstrauen in ihrem Blick, nur Wärme und Verständnis. Dennoch wahrte er die Distanz, die ihr so wichtig schien, wenn andere zugegen waren. »Guten Tag, Cathy!«, begrüßte er sie nun auch, wandte sich dann dem Kind zu und sagte freundlich. »Und guten Tag auch dir, kleine Rosie. So heißt du doch, nicht wahr?«
Die Kleine nickte, steckte einen Finger in den Mund und entschied sich dann doch lieber dafür, den sicheren Platz am Schürzenzipfel ihrer Mutter im Gemüsegarten aufzusuchen. So schnell sie ihre kurzen Beinchen trugen, sprang sie davon.
»Mrs Branagh schickt mich«, erklärte er schnell, um ihrer Frage zuvorzukommen. Wie er es vermutet hatte, weiteten sich ihre Augen erschrocken bei seinen Worten.
»Soll ich wieder nach Whitefell kommen?«, fragte sie und ihre Stimme zitterte merklich. Aaron nickte mitfühlend. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen, versagte es sich aber. Sie seufzte und senkte den Blick. »Ich hatte gehofft, Miss Isobel würde länger fortbleiben.« Sie holte tief Luft. »Ja, dann muss es wohl sein …! Schade, ich hätte mich so gerne noch von John und seinen beiden Jungen verabschiedet. Die beiden sind mir wirklich ans Herz gewachsen. Aber er hat sie heute mit in den Wald genommen. Sie werden erst am späten Abend zurückkehren.« Ihr Blick wanderte über Aarons Schulter zum Pritschenwagen, der im Hof stand. »Ist es denn so dringend, dass du mit dem Wagen kommst, um mich zu holen?«
»Es scheint so«, bestätigte Aaron. »Aber ich weiß auch nicht, was dahintersteckt. Sicher wird es dir Mrs Branagh erklären.«
»Ja, sicher!«
»Ich warte hier auf dich, bis du deine Sachen gepackt hast.«
Sie lächelte ein wenig. »Da gibt es nicht viel zu packen. Ich bin gleich fertig.« Mit diesen Worten verschwand sie im Haus und kam kurze Zeit später mit einem kleinen Bündel wieder zurück. Sie hatte sich wieder ihr graues Gewand angezogen und ihr Haar zu dem losen Zopf gebunden, ganz so, wie er sie kennengelernt hatte.
»Lass uns gehen«, sagte Cathy, nachdem sie sich von Mrs Finley und dem Kind verabschiedet hatte, und setzte sich ohne weitere Verzögerung auf den Kutschbock. Aaron ließ sich neben ihr nieder, löste die Bremse des Wagens, nahm die Zügel auf und schnalzte mit der Zunge. Das Kutschpferd setzte sich folgsam in Bewegung, schwenkte mit dem Wagen auf den einsamen Waldweg ein und trottete voran. Aaron trieb den Grauen nicht an. Wenigstens etwas Ruhe sollte Cathy noch gegönnt sein. Diese saß still und in sich gekehrt neben ihm, sichtlich bedrückt. Er konnte es gut verstehen, kehrte sie doch, nachdem sie eine kurze Zeit der Freiheit genossen hatte, zurück in Abhängigkeit und eine ungute Situation, der sie doch so sehr versucht hatte zu entfliehen.
»Wie geht es deiner Familie, deinen Geschwistern?«, fragte er schließlich, um ein Gespräch in Gang zu bringen.
Sie schreckte aus ihren Gedanken auf. »Oh, es geht ihnen gut.«
»Sie haben dich also wieder willkommen geheißen?«, riet er ins Blaue hinein. Er wusste ja nicht wirklich, was hinter dieser seltsamen Geschichte steckte.
»Ja, sie …«, sie zögerte, gab sich dann aber einen Ruck. »Es blieb meinem Vater wohl nichts anderes übrig, als es zuzulassen, dass ich von Zeit zu Zeit vorbeischaue.« Sie schluckte krampfhaft. »Mr Finley hat mit meinem Vater gesprochen und ihm gesagt, dass Miss Isobel es ausdrücklich so angeordnet und Mr de Burgh ihr darüber die Verfügungsgewalt gegeben hat. So musste er es akzeptieren, hat sich aber ausbedungen, dass ich weiter bei den Finleys wohne, da kein Platz für mich auf dem Hof sei. Wenigstens konnte ich so ein wenig Ruby, die neue Frau, kennenlernen und den kleinen Wycliff. Er ist ein liebes Kerlchen, jetzt schon über vier Jahre alt.«
»Und dein anderer Bruder? Du erzähltest von einem Billie«, fragte Aaron, mehr um das Gespräch in Gang zu halten, als aus wirklichem Interesse an diesem ihm unbekannten Jungen. Zu seinem Erstaunen füllten ihre Augen sich plötzlich mit Tränen, die sie aber schnell
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