Die dritte Sünde (German Edition)
verhindern, dass in ihrer Stimme der Ärger, den sie über ihre Verwandtschaft und besonders über ihre fürchterlichen Cousinen empfand, mitschwang. Die intelligente Lady Craven schien auch dies sofort zu spüren und richtig zu interpretieren.
»Ah, ich verstehe. Sicher ist es nicht leicht für eine hübsche und lebenshungrige junge Dame, wie du es bist, Isobel, sich mit der erlauchten, aber wenig unterhaltsamen und, was deine Cousinen betrifft, auch wenig anregenden Gesellschaft deiner Verwandten zu arrangieren.«
»Florence hat heute Nacht versucht, sich aufzuhängen!«, platzte es aus Isobel heraus, »und selbst dazu ist sie zu ungeschickt. Sie heult den ganzen Tag, weil sie in Henry Thornton, diesen Maler, verliebt ist. Aber nun hat sie mit dieser Schmierenkomödie heute Nacht erreicht, dass sie ihn doch heiraten darf.«
»Tatsächlich? Sie wollte sich umbringen? Was für eine grandiose Dummheit! Und das für einen Mann! Wie unglaublich albern manche junge Frauen doch sind!« Lady Craven lachte wieder ihr silberhelles Lachen. »Sie träumen von romantischer immerwährender Liebe, und dann verwelken sie in Langeweile und Enttäuschung, eingepfercht in ihre Häuser, und wundern sich, dass der stürmisch Liebende von einst sich nach kürzester Zeit bestenfalls noch des Nachts ihres Namens erinnert und sich ansonsten, wenn sie Glück haben, um den Beruf und das Vermögen oder, wenn sie Pech haben, um andere Damen kümmert.« Isobel sah Lady Craven groß an. Dass diese Frau so sorglos und despektierlich von Männern und deren Schwächen sprach, erstaunte und faszinierte sie zugleich.
»Ach, Kind«, Lady Craven ergriff ihre Hand, »glaube mir: Die Männer sind meistens sehr dumm und wankelmütig. Sie sind amüsant, wenn eine Frau es versteht, sie zu locken. Dann tun sie fast alles für die Frau ihres Interesses, zumindest eine Zeit lang. Manche machen sich regelrecht zum Narren, wie Mr Thornton auf jenem Ball. Was für eine umwerfend komische Vorstellung da geboten wurde! Es war eine rechte Komödie! Aber es ist Unsinn, wenn unsereins erwartet, dass sie uns auf ewig lieben. Dazu sind wir Menschen nicht gemacht, und der Mann am allerwenigsten, auch wenn uns die Dichter das weismachen wollen.«
»Ist denn Lord Craven auch so?«, fragte Isobel, etwas ernüchtert über die wenig romantischen Ansichten Lady Cravens.
Lady Craven lächelte. »Mein Gatte ist ein sehr alter, sehr reicher und sehr verständnisvoller Mann, der mich vielleicht auch einmal geliebt hat. Vermutlich liebte er aber vor allem die Freuden, die ich ihm bereitet habe. Nun ist er zu alt, um sie noch wirklich genießen zu können, und zieht es deshalb vor, die meiste Zeit auf dem Land zu verbringen und sich seinen Memoiren und seinen Büchern zu widmen, während ich mich hier in London auf meine Art beschäftige. So hat jeder, was er will. Er hatte seinen Spaß mit mir, und ich habe ein äußerst angenehmes Leben als Lohn und kann tun, nach was mir der Sinn steht.«
»Und Matthew, ich meine Lord Farnham?«, wagte Isobel vorzubringen. »Lieben Sie ihn denn?«
»Matthew?« Lady Craven lächelte in sich hinein. Offenbar verweilte sie in Gedanken bei dem, was Lord Farnham und sie miteinander trieben. »Wir bereiten uns Vergnügen, wenn uns danach ist. Matthew ist recht amüsant, muss ich zugeben. Ich würde fast sagen, er ist mir in seinem Wesen nicht unähnlich und wir hegen Sympathie und Respekt füreinander.«
Isobel sah Lady Craven ungläubig an. Sie erinnerte sich nur zu gut daran, dass Lord Farnham Lady Craven ein verdorbenes Weib und kleines Luder genannt hatte. Lady Craven schien buchstäblich Isobels Gedanken lesen zu können. »Oh, meine unwissende kleine Isobel. Worte, die im Liebesspiel fallen, gehören dazu wie das Sahnehäubchen auf einem Dessert und haben auch genauso viel Gewicht. Sie bedeuten nichts, erhöhen jedoch den Reiz.«
»Ich bin nicht so unwissend!«, begehrte Isobel trotzig auf. Ihr Blick wanderte unwillkürlich zur Darstellung des Frühlings. Lady Cravens Blick folgte dem ihren. »Du hast also schon Erfahrungen gemacht? Nun, das verwundert mich nicht. Nicht bei der Tochter Imogen Cunninghams.«
Isobel fühlte sich wie bei einer Lüge ertappt und senkte den Blick: »Zumindest ein wenig. Aber ich würde gerne mehr wissen!« Sie sah die ältere Frau nun mit brennenden Augen an. »Meine Mutter war wohl nicht so unerfahren wie ich, zumindest hat mein Vater so etwas angedeutet, aber genau weiß ich es nicht. Aber wie hätte ich
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