Die dritte Sünde (German Edition)
auch Erfahrungen machen können? Ich war ja auf Whitefell regelrecht eingesperrt mit meiner unerträglichen Gouvernante, Miss Hunter, die sich wohl noch nicht mal selbst nackt gesehen hat, geschweige denn einen Mann. Und mit Cathy ist es auch nicht viel besser gewesen. Obwohl, vielleicht täusche ich mich auch in dem kleinen Miststück«, fügte sie nach kurzem Nachdenken mit einem bedrohlichen Zorn in der Stimme an.
Lady Craven hob erstaunt die Augenbrauen. Da schwang erhebliche Eifersucht mit. Das konnte ein unterhaltsamer Tag werden.
Whitefell House, Wiltshire, 23. Juni 1838
Kapitel 32
Mrs Branagh legte mit zitternden Händen das Schreiben zur Seite, das soeben von einem Boten überbracht worden war. Es gehörte zu ihren Befugnissen, in Abwesenheit des Hausherrn wichtig erscheinende Briefe und Nachrichten zu lesen, um notwendige Maßnahmen in die Wege leiten zu können. Sie hatte den Eilbrief, der mit dem Siegel der East-India-Trading-Company versehen war und dennoch mehr als drei Wochen bis nach Whitefell gebraucht hatte, mit schlimmen Vorahnungen geöffnet, die sich nun auch bestätigten.
Wir bedauern mitteilen zu müssen, dass Mr Daniel de Burgh, Offizier in den Diensten der East-India-Trading-Company, an den Folgen einer Verletzung verstorben ist,
hieß es da lapidar. Beigefügt war ein amtlich beglaubigtes Schreiben eines Arztes, der den Tod des jungen Mannes bestätigte und als Ursache Komplikationen in Folge einer kampfbedingten Verletzung angab.
Sie konnte es nicht fassen! Daniel de Burgh war so ein fröhlicher, dabei auch aufrichtiger und pflichtbewusster junger Mann gewesen, dem alle Einwohner Whitefells herzlich zugetan waren. Mit großem Bedauern, das sie natürlich gegenüber dem aufbrausenden Herrn von Whitefell niemals geäußert hätte, hatte sie Daniels Abschied im Streit mit seinem Vater zur Kenntnis genommen und auf seine Rückkehr und eine Versöhnung gehofft. Ach, es war wirklich eine Tragödie! Sie seufzte tief, wusste sie doch nur zu gut, was dies für Konsequenzen haben würde. Whitefell hatte nun keinen männlichen Erben mehr. Das würde bedeuten, dass Miss de Burgh – so sie sich verehelichte, und daran bestand kein Zweifel – zur Herrin von Whitefell werden würde, vielmehr ihr Ehemann, sobald Mr de Burgh starb oder aber freiwillig der jüngeren Generation Platz machte. Diese Aussicht würde, abgesehen von der sicherlich ehrlichen Trauer bei all denen, die Master Daniel gekannt hatten, niemanden von den Angestellten erfreuen. Alle hatten mit verstohlener Erleichterung die Abreise der so launischen und herrschsüchtigen jungen Dame zur Kenntnis genommen und gehofft, dass sie in London einen Ehemann finden und sich mit ihm anderswo niederlassen würde. Diese Hoffnung schien nun ebenfalls dahin. Schweren Herzens erhob sie sich und legte den Brief auf ihr Schreibpult. Auf alle Fälle musste nun Mr de Burgh so schnell wie möglich vom Tod seines Sohnes und Erben unterrichtet und die Rückkehr der Herrschaft vorbereitet werden. Auch Cathy Thomson musste geholt und auf ihre Pflichten als Zofe vorbereitet werden. Es blieben wohl kaum drei Tage Zeit dazu. Ruby war entlassen worden, da Miss de Burgh, bevor sie Whitefell verließ, noch den Wunsch geäußert hatte, dass in Zukunft Cathy ihre Zofe sein solle. Als Mrs Branagh Ruby dies mitteilte und ihr das Entlassungsschreiben übergab, hatte diese sich nicht gescheut, der kleinen Thomson dafür die Schuld zu geben und sich in heftigen Schimpftiraden und Drohungen zu ergehen, so lange, bis Mrs Branagh sich genötigt sah, sie umgehend zur Ordnung zu rufen und des Hauses zu verweisen. Trotzdem machte das Gerücht, Cathy Thomson hätte Ruby mit einer List sowohl Anstellung wie auch Auskommen gestohlen, die Runde unter den Bediensteten. Mrs Branagh wusste es allerdings seit Cathys schwerer Erkrankung besser und hatte sich vorgenommen, in Zukunft ein Auge auf das Mädchen zu haben, besonders, was weitere Angriffe seitens des Personals betraf. Es ging nicht an, dass so ein Unfrieden im Hause herrschte, zumal es sich bei Cathys Anstellung als Zofe um eine ausdrückliche Anordnung von Miss de Burgh handelte. Und sie hatte beileibe nicht den Eindruck gewonnen, dass Cathy sehr glücklich darüber war.
Nun, sie würde Aaron zu den Finleys hinüberschicken. Am besten, er nahm den Pritschenwagen, dann konnte Cathy gleich mitkommen und würde keine weitere Zeit verlieren, denn Zeit war jetzt kostbar. Das Anlernen des Mädchens würde sie, neben den
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