Die dritte Sünde (German Edition)
würde. Er hat wirklich ein Händchen für Pferde. Dass er das Fohlen und die Stute für Mr de Burgh gerettet hat, war schon eine Meisterleistung.« Er schlug Aaron, der neben ihm saß, wohlwollend zwischen die Schulterblätter. Dieser wurde rot und senkte verlegen, aber doch mit freudiger Überraschung in den Augen den Blick, um dann erwartungsvoll zu Cathy hinüberzuschauen. Cathy lächelte zurück. Diese Entwicklung gönnte sie Aaron von Herzen. Sie wusste, das hatte er sich sehr gewünscht. Auch Mrs Reed meinte wohlwollend: »Tja, Stutter, dann wirst du uns ja wohl erhalten bleiben. Hast dir die Chance auch verdient. Du wirst sehen, Mr de Burgh lässt mit sich reden in diesen Dingen. Besonders wenn er nach der Hochzeit seiner Tochter vielleicht wieder etwas besserer Stimmung ist. Der Tod seines Sohnes hat ihn ja sehr mitgenommen. Er isst kaum mehr was.« Sie seufzte mürrisch. »Ich frage mich, warum ich hier überhaupt noch tagaus, tagein in der Küche stehe.«
Das Gespräch wendete sich daraufhin der Befindlichkeit von Mr de Burgh und dem großen Bedauern über den Tod von Master Daniel de Burgh zu, den zumindest einige der Anwesenden noch gekannt und auch sehr geschätzt hatten. Man war sich einig darüber, dass dessen Tod ein unersetzlicher Verlust für Whitefell war. Obwohl es keiner wagte laut auszusprechen, war die Aussicht, irgendwann Isobel de Burgh oder vielmehr in Kürze Mrs Havisham als Herrin ertragen zu müssen, ein über die Maßen gefürchtetes Übel, aber man hatte ja keine Wahl.
Schließlich erhob man sich nach und nach, um sich wieder der Arbeit zuzuwenden. Auch Cathy stand auf. Sie hatte noch mehr als eine halbe Glocke, bis Isobel wieder nach ihren Diensten verlangen würde. Ein kurze Zeitspanne, die sie unter den wärmenden Strahlen der nachmittäglichen Sonne auf dem Gerätehof verbringen wollte. Ein weiteres Privileg, das ihr durch die klarer abgesteckten Pflichten als Zofe vergönnt war und das sie sich keinesfalls entgehen lassen wollte. Aaron hatte die Küche bereits kurze Zeit zuvor zusammen mit Frederick verlassen. Als sie den schmalen Gang und die wenigen Treppenstufen hinunter zur Waschküche ging, durch die sie auf den Gerätehof gelangen konnte, wurde sie plötzlich von einer kräftigen Hand in eine Nische, die zum Abstellen von verschiedenen Gerätschaften genutzt wurde, gezogen. Sie erkannte schnell, dass es Aaron war, der sich dort verborgen und sie abgepasst hatte, um unbeobachtet mit ihr sprechen zu können. In dem wenigen Raum, den ihnen das Gerümpel dort ließ, standen sie dicht beieinandergedrängt. Aaron legte ihr die Finger auf die Lippen, um ihren überraschten Laut zu unterdrücken. Sein Gesicht strahlte vor Freude.
»Was sagst du dazu, Cathy?«
»Ich freue mich sehr für dich, Aaron. Du hast es dir wirklich verdient. Du verstehst in der Tat viel von Pferden.«
Ihre Antwort schien ihn nicht ganz zu befriedigen. Offenbar lag ihm etwas anderes weit mehr am Herzen. Sein Blick wanderte für einen Moment an die niedrige Decke, als hoffe er, dort die richtigen Worte für sein Anliegen zu finden.
»Ich …«, begann er stockend, gab sich dann aber einen Ruck, »Cathy, du weißt ja, dass ich dich wirklich sehr gern habe.«
Cathy senkte schüchtern den Blick, aber sie nickte. Ja, sie wusste es! Jedes seiner Worte, jeder Blick, jede Geste zeigte ihr dies täglich aufs Neue. Es war kaum zu glauben, aber Aaron Stutter liebte sie. Sie spürte, wie seine Hand zärtlich über ihre Wange strich, seine Wange die ihre streifte, als er ihr nun zuflüsterte: »Wenn ich Fredericks Stelle übernehmen kann, werde ich mehr verdienen. Frederick sagt, er habe ein Pfund die Woche bekommen. Das ist wirklich ein guter Lohn. Es würde sicher reichen! Ich meine, es würde reichen, um eine Familie zu ernähren.«
Cathy meinte, nicht richtig verstanden zu haben. War das etwa ein Heiratsantrag? War er denn von Sinnen? Verblüfft sah sie Aaron an.
»Was sagst du, Cathy? Willst du …«, er verhaspelte sich vor Aufregung, «willst du mich heiraten?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ach, Aaron! Glaubst du denn, Isobel würde das dulden? Nicht im Traum würde sie es uns erlauben!«
Aaron reagierte erwartungsgemäß mit ärgerlichem Aufbegehren. »Wieso sollte sie darüber zu bestimmen haben?«
Sie konnte ihm seine Reaktion nicht verdenken, dennoch war sein Ansinnen außerhalb jeder Realität. Ein Wunschtraum - nichts weiter! »Das hat sie, glaube mir! Mr de Burgh hat ihr schon immer nachgegeben und
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