Die dritte Sünde (German Edition)
das für sie unangenehm werden konnte. Auch sonst hatte sich einiges zum Besseren gewendet. Daran war nicht zuletzt Mrs Branagh maßgeblich beteiligt. Diese hatte sich nahezu mütterlich – wenn man sich eine solche Regung bei der strengen und respektgebietenden Frau überhaupt vorstellen mochte – um Cathy und deren Einarbeitung als Zofe bemüht. Ihre frühere, oft genug zu Tage getretene Missbilligung der Anwesenheit Cathys auf Whitefell war einer freundlichen Anteilnahme gewichen. Das hatte dazu geführt, dass Cathy, trotz der Einwände Isobels, die Mrs Branagh aber mit der Autorität der Hauswirtschafterin zurückwies, das verlassene Zimmer Rubys im neuen Gesindetrakt beziehen konnte. Zwar musste sie dieses mit Elfie, einem der Küchenmädchen, teilen, aber das Zimmer war hell und trocken und bot sogar den Komfort eines guten Bettes, was Cathy sehr zu schätzen wusste. Sogar ein abschließbarer Schrank gehörte ihr nun. Dennoch hatte sie ihre Tagebücher bei Aaron gelassen. Zu groß war die Gefahr, dass die neugierige und geschwätzige Elfie diese in die Finger bekam.
Mrs Branagh hatte auch in einer strengen Rede vor allem den Küchenmägden die Leviten gelesen und sich weitere Angriffe auf Cathy verbeten. Die zunächst murrenden Mägde waren unmissverständlich darauf hingewiesen worden, dass es in keinem Fall Cathys Schuld gewesen sei, dass Ruby ihre Stellung verloren habe. Das sei ausschließlich in dem Wunsch Miss de Burghs begründet gewesen. Zudem habe zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auch Rubys Impertinenz zu ihrem Rauswurf beigetragen, denn sonst hätte sich sicher eine andere Aufgabe für sie auf Whitefell finden lassen. Dies sollten sich die Mägde – und hier hatte Mrs Branagh sehr drohend ihre Augenbrauen zusammengezogen, was selbst die freche Emily augenblicklich verstummen ließ – ruhig als Warnung dienen lassen. Unfrieden und Gehässigkeit würden in Whitefell nicht weiter geduldet.
Seitdem herrschte Ruhe.
Und wenn Cathy auch nach wie vor nicht eben den Eindruck hatte, beliebt zu sein, so hatte sich ihre Situation doch deutlich gebessert. Dazu trug sicher auch bei, dass niemand von der Hand weisen konnte, dass sie ihre Arbeit gewissenhaft und fleißig unter den erschwerten Bedingungen tat, einer äußerst launenhaften und oft genug rachsüchtigen Isobel de Burgh dienen zu müssen. Das unberechenbare Verhalten der zukünftigen Herrin von Whitefell war beim Gesinde, dann, wenn Mrs Branagh nicht zugegen war, die solcherlei respektloses Geschwätz sicher sofort unterbunden hätte, durchaus Gesprächsthema und Anlass zur Besorgnis. Auch fragte man sich, wie der zukünftige Hausbewohner, Mr Havisham, sich geben würde. Manche fürchteten sehr, dass vielleicht personelle Veränderungen folgen würden im Zuge der Hochzeit – und was sollte dann aus ihnen werden? Arbeit war schwer zu bekommen und nicht wenige trugen mit ihrem Lohn zur Versorgung etlicher hungriger Münder bei.
Als Cathy die Küche betrat, kündigte sich die erste dieser Veränderungen gerade an. Tatsächlich war auch Aaron in der Runde. Cathy fing seinen Blick auf, als sie sich ihm schräg gegenüber an den Gesindetisch setzte. Auch Frederick war mit hereingekommen vom Stall und richtete nun, die Tasse mit dem dampfenden Tee in der abgearbeiteten, rauen Hand haltend, sein Wort an Mrs Reed: »Ich habe es mir lang und breit überlegt. Es wird wohl das Beste sein, wenn ich mich jetzt zur Ruhe setze. Meine Tochter bewirtschaftet mit ihrem Mann einen Pachthof östlich von Wilton. Die hat mir angeboten, dass ich bei ihnen wohnen kann. Ich will nicht warten, bis meine alten Knochen mir völlig den Dienst aufkündigen. So kann ich wenigstens noch ein wenig bei meinem Schwiegersohn auf dem Hof helfen.«
Mrs Reed zuckte mit den Schultern. »Das steht irgendwann für uns alle an. Wir werden nicht jünger. Wenn es bei mir so weit ist, werde ich zu einer Schwester meines verstorbenen Mr Reed ziehen. Ich habe ja leider keine Kinder wie du, Frederick, die für mich sorgen könnten. Aber ich habe mir auch ein wenig Geld beiseite legen können, sodass ich wenigstens nicht werde hungern müssen.«
Frederick brummte verlegen. Er hatte keineswegs genug zurückgelegt, woran vor allem seine große Vorliebe für das Stout im dörflichen Pub schuldig war. »Ich denke, ich werde Mr de Burgh vorschlagen, Aaron die Leitung des Stalles zu übertragen«, nahm er wieder das Thema auf. »Habe bisher keinen Besseren gefunden, dem ich das zugetrauen
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