Die dritte Sünde (German Edition)
Hausherr bereits am frühen Morgen seinen Geschäften nach – selbst an den Sonntagen. Dann nahmen die Eheleute, da er darauf bestand, für gewöhnlich gemeinsam ihr Frühstück im Salon ein.
Isobel bedachte Cathy mit einem Lächeln, als diese leicht zitternd vor ihr knickste, wie Isobel es von ihr erwartete. »Nun, wie ich sehe, hast du dich erholt von unserem kleinen Zwist«, meinte sie leichthin, die nur zu offensichtliche Furcht und die rotblau verfärbte, kaum geschlossene Wunde ihrer Zofe geflissentlich übersehend. »Wir wollen nicht mehr darüber sprechen. Du hast mich eben verärgert. Wenn du deine Arbeit in Zukunft gewissenhafter erledigst und alles tust, was ich dir sage, wird so etwas auch nicht mehr nötig sein. Hast du verstanden?«
»Ja, Mrs Havisham!«, antwortete Cathy. Das war vermutlich das Höchstmaß an Einsicht und Bedauern, das sie von Isobel erhalten würde.
»Gut. Dann brauchst du dich auch nicht zu sorgen.« Isobel erhob sich von ihrem Bett. »Ich werde heute nach dem Frühstück eine Besprechung mit meinem Gatten haben und noch einige Korrespondenz erledigen. Nach dem Lunch werde ich dann ausreiten. Ich werde mich heute also mehrfach umziehen müssen und wünsche direkt nach dem Ritt ein ungestörtes Bad zu nehmen. Du wirst dafür Sorge tragen, dass das Bad gerichtet ist, wenn ich eintreffe. Aber sieh zu, dass das Wasser nicht zu heiß ist.« Sie ließ sich von Cathy aus dem Nachthemd helfen. »Falls dir das alles für heute noch zu mühsam ist, darfst du dir auch Hilfe holen … ausnahmsweise!«, fügte sie, wie sie selbst fand, überaus gnädig hinzu. Aber man sollte durchaus sehen, dass sie bereit war, guten Willen zu zeigen.
»Ja, Mrs Havisham«, antwortete Cathy demütig, ohne den Blick zu heben. Isobel war doch erstaunt. Offenbar hatte der Schlag, den Cathy erhalten hatte, diese so in Angst versetzt, dass sie es im Traum nicht wagen würde, sich gegen ihre Herrin aufzulehnen. Da war nicht einmal mehr ein Hauch der leisen kritischen Distanz zu spüren, den Isobel meinte, in den vergangenen Wochen in den Augen Cathys entdeckt zu haben. Das konnte ihr nur recht sein. Müßig ließ sie den Blick auf ihrer Zofe ruhen, die sich gerade bückte, um ihrer Herrin in die Strümpfe zu helfen. Wie konnte Aaron Stutter nur etwas an diesem verschreckten, unterwürfigen Hühnchen finden, wenn er stattdessen sie haben konnte? Das war doch einfach lächerlich! Vielleicht, so überlegte sie, war ihr Verdacht ja ganz unbegründet gewesen, vielleicht gab es eine ganz normale Erklärung für sein Ausbleiben. Sie würde das heute nach dem Lunch in Erfahrung bringen.
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Aaron wappnete sich innerlich, als er sah, wie Isobel etwa eine Glocke nach dem Lunch den Stall betrat. Nun war es also soweit! Er hatte sich bereits eine gute Ausrede für sein Nichterscheinen neulich zurechtgelegt. Sie trug Reitkleidung, wollte also offenbar ausreiten, aber ihn bestimmt auch zur Rede stellen. Niemand war bei ihr. Umso besser! So hatte er Gelegenheit, umgehend seinen Entschluss in die Tat umzusetzen. Er bemühte sich um einen Gesichtsausdruck, der Interesse und Verlockung gleichermaßen hervorrief und trat ihr entgegen. Schließlich hatte er die Kunst des Spiels zwischen den Geschlechtern in langen, wenn auch nicht sehr glücklichen Wanderjahren nur zu gut erlernt. Er konnte diese zarten Hinweise mühelos und auf Abruf erzeugen. Der Blick, der daraufhin in die Augen von Cathys Peinigerin trat, zeigte ihm, dass sie durchaus bereit sein würde, ihm zu glauben, dass sein Ausbleiben neulich lediglich widrigen Umständen geschuldet war.
»Aaron«, begann sie dennoch in dem schnippischen Tonfall, den er zur Genüge von ihr kannte, nur unzureichend verbarg sie dahinter ihren verletzten Stolz. »Wie du siehst, möchte ich ausreiten. Sattle mir den Schimmel! Das heißt, wenn mein neuer Stallmeister die Möglichkeit sieht, seine kostbare Zeit für mich zu erübrigen.«
Sollte er noch einen Zweifel gehabt haben, warum sie Cathy so brutal und rücksichtslos niedergeschlagen hatte, so bewies ihm dieser Satz, dass er mit seiner Vermutung nur zu richtig lag. Isobel de Burgh war unberechenbar und gefährlich, ja durchaus bereit, bis zum Äußersten zu gehen, um ihren Willen zu behaupten. Er tat gut daran, sich in Acht zu nehmen. Trotzdem gelang es ihm, ihr glaubwürdig einen verheißungsvollen Blick zuzuwerfen. Er gab sich, weiß Gott, alle Mühe. »Ich wüsste nichts, was mir lieber wäre«, log er.
»Tatsächlich?« Sie hob in
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